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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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schlecht.«
    Wenig später hatten sie sich durch die graue Suppe gekämpft und
waren da.
    Pure Aufregung herrschte auf der Grabmoosalm. Die Umgebung
kam Rico vertraut vor, obwohl er kaum einmal hier oben gewesen war.
    Eine Polizistin und ein Polizist, beide mit hochrotem Kopf,
gestikulierten wild in der Luft herum. Eine Hand presste das Handy ans Ohr.
    Ein orangeroter Porsche war unter einem schiefen Obstbaum abgestellt.
    Rico staunte. Dem Kennzeichen nach musste es Ottakrings Wagen sein.
Ottakring selbst war nirgends zu sehen. Was suchte sein Vorgänger hier oben?
    »Ja, jetzt kann ich mich sehr genau erinnern«, sagte Esther Hastemir,
strich sich übers Haar und sah sich um. Nachdem sie die Angst um ihr Leben
überwunden hatte, strahlte sie wieder eine solche Selbstsicherheit und
Entschlossenheit aus, dass sie ein paar Jahre älter wirkte, als sie war.
    Eine junge Frau in violett geblümtem Kleid kam abwehrend auf sie zu.
Ihre nackten Füße steckten in dunkelbraunen Haferlschuhen.
    »Was wollen Sie?«, rief sie Rico entgegen. »Sie san doch der …«
    »Ja, der bin ich«, sagte Rico. »Wir wollen uns nur ein bisschen
umschauen. Gut möglich, dass wir Sie dabei benötigen.«
    Er deutete auf den geparkten Porsche. »Der Herr, dem diese Schleuder
gehört, ist der hier?«
    »Ja, der ist hier«, ertönte Ottakrings voll tönender Bariton hinter
ihm. »Ist Ihnen die Moserin im Polizeiauto begegnet?«
    Schlagartig ging Rico ein Licht auf. Er konnte sich denken, was
geschehen war, und musste ein Grinsen unterdrücken, als er zu den beiden
blamierten Uniformierten hinsah, die wirkten, als müssten sie auf einer Bühne
den Clown spielen.
    In der Zwischenzeit hatte sich Esther Hastemir mit langsamen
Schritten dem Wirtshaus genähert.
    Zwei der drei Fenster auf dieser Seite gehörten zur Gaststube. Vor
dem rechten blieb sie stehen. Es war offen. Sie legte die Hände aufs Sims,
beugte sich vor und sah hinein.
    »Hier!«, rief sie aus und winkte Rico erwartungsvoll zu.
    Rico fasste Ottakring am Arm. »Ich werde schon noch erfahren, warum
Sie ausgerechnet zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind«, sagte er und zog
Ottakring mit sich. »Ich brauche Sie nämlich. Als Zeugen.«
    »Zeuge?«, fragte die Resi, die den beiden Männern gefolgt war.
»Zeuge für was denn?«
    »Ja, hören Sie ruhig zu«, sagte Rico Stahl.
    Etwas nervös zupfte er an der gepunkteten Krawatte herum.
    »Weil die Frau bestimmt was gesehen hat«, platzte der Seppe heraus.
    Der Bub war mit seiner Sissi aus dem Hausinneren gekommen. Jetzt
hing er an der Hand seiner Mutter.
    Die Tigerdogge stellte sich neben Ottakring auf, schüttelte sich
kurz und schmiegte ihren Kopf an seine Hüfte. Ihre Augen waren vor Wonne so
verdreht, dass man nur das Weiße sah.
    »Ich war so schockiert, als ich mit ansehen musste, wie Gülsüm in
unserer Wohnung getötet wurde«, sagte Esther leise.
    Mit weit geöffneten Augen blickte sie durch das Fenster in die
Gaststube der Alm hinein. Als ob sich da drinnen gerade ein Mord abspielte.
    »Ich bin aus unserer Wohnung gerannt und hab mich auf meinen
Motorroller geschwungen. Es war stockdunkel, und ich bin blind dem stärksten
Licht gefolgt, das ich sehen konnte: Den Lichtern der Papierfabrik. Und dann
bin ich den Berg hinaufgefahren und hier gelandet.«
    Sie sah Rico Stahl an.
    Hinter ihrem Rücken warf ihm Ottakring einen galligen Blick zu, der
wohl so viel sagen sollte wie: Was zieht ihr mich mit hinein? Das ist doch euer
Fall.
    »Und dann haben Sie sich hier ans Fenster gestellt?«
    Esther nickte ein paarmal in Hast. »Ich hatte doch keine Ahnung, was
ich hier wollte. Ich wollte nur eines: weg und vergessen. Die schrecklichen
Bilder loswerden.« Sie legte eine Hand über die Augen. »Es war so grausam«,
sagte sie.
    Rico fiel auf, dass sie sich zur Seite drehte und die Resi ins
Blickfeld nahm.
    Die Resi bewegte sich vorsichtig und langsam wie auf einer dünnen
Eisdecke von der Gruppe am Fenster weg. Der Seppe hing noch immer an ihrer
Hand.
    »Bleiben Sie ruhig hier, Frau Moser«, rief ihr Rico über die Schulter
zu.
    Als sie zögerte, ging er hin und schob sie vor sich her, zum Fenster
hin.
    »Kennen Sie diese Frau?«, fragte Rico an Esther gerichtet. »Schon
mal gesehen?«
    Esther nickte nur.
    Wie zur Bestätigung nickte auch Rico der Resi zu und nahm die Hand
von ihrem Rücken.
    »Und?« Die Frage richtete er wieder an Esther. »Was haben Sie da
drin gesehen? Können Sie sich an Personen erinnern? Waren es Männer oder
Frauen?

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