Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
alles ab und fanden die Leiche Dong Jianyis schließlich in einem hinteren Graben, in den sie hineingeworfen worden war. Die Woll- und Daunendecken, in die der gute Dong gewickelt gewesen war, waren fort und die Leiche bis auf die Knochen abgenagt. Da die Kannibalen auch am Kopf kein Fleisch gelassen hatten, saß der blanke Schädel auf dem Skelett.
Gu Xiaoying warf sich auf die Gebeine ihres Mannes und hörte nicht mehr auf, ihn zu beweinen und ihn zu küssen! Es wurde langsam dunkel, alle mahnten sie, zurückzufahren und sich ein wenig Ruhe zu gönnen, aber sie sagte unter Tränen: ›Ich werde nicht mehr zurückfahren, ich will mit ihm sterben, ich will mit ihm sterben!‹ Ein paar Männer packten sie und brachten sie mit Gewalt zurück in die Wohnhöhle. Später suchten die Leidensgenossen von Dong Jianyi ein paar Reiser und etwas Öl und haben die Reste der Leiche verbrannt. Liu Wenhan nahm eine Militärdecke, die er selbst von der Front in Korea mitgebracht hatte, barg die Asche Dongs und packte sie Gu Xiaoying in den Koffer, damit sie sie nach Shanghai mitnehmen konnte.« [129]
Das Problem von Tongwei
Zur Zeit der schweren Hungersnot kam es im Kreis Tongwei in der Provinz Gansu zu ähnlich entsetzlichen Zuständen wie in Xinyang in der Provinz Henan. In Tongwei war die Rate der Toten, die nicht eines natürlichen Todes gestorben waren, noch höher als in Xinyang. Sie lag bei fast einem Drittel der Gesamtbevölkerung. Das Zentralkomitee der KPCh nannte die Vorkommnisse in diesem Gebiet »Das Problem von Tongwei«.
Tongwei liegt im Südosten von Gansu und ist dem Gebiet Dingxi unterstellt. Im dritten Jahr der Regierungsdevise Yuanding des Han-Kaisers Han Wudi (114 vor unserer Zeitrechnung nach dem westlichen Kalender) war der Kreis als einer der ältesten Kreise Chinas eingerichtet worden. Durch Tongwei war die Rote Armee auf ihrem Langen Marsch gekommen. Nachdem sie ihre Stützpunktgebiete in Jiangxi verlassen hatte, ist sie geraden Wegs in den Südteil von Gansu marschiert, ohne noch einen Ort zum Bleiben gefunden zu haben. Bei einer Konferenz des Zentralkomitees der KPCh an der russischen Grenze wurde beschlossen, in den Nordosten Gansus an die sowjetische Grenze weiterzuziehen, um mit der Sowjetunion im Rücken ihren Partisanenkampf durchzuführen.
Am 21. September 1935 kam die Rote Armee nach Hadapu (heute dem Kreis Dangchang im Selbstverwaltungsbezirk in Südgansu unterstellt), eine Kleinstadt mit ein paar Zehntausend Einwohnern. In dieser Kleinstadt gab es ein Postamt und in diesem Postamt fanden die Rotarmisten ein paar Ausgaben der Dagongbao , der ältesten heute noch bestehenden Zeitung Chinas. In den Ausgaben vom 2. und vom 23. September 1935 gab es je eine Kolumne mit dem Titel »Über die Lage bei den Banditen«. Darin gab es einen Bericht über den »Anführer der Banditen« Xu Haidong und seine Kampagne im Norden von Shaanxi: »Xu Haidong ist aus Gansu geflohen, Liu Zidan ist nachgestoßen und hat sich im Süden, bei Suide, festgesetzt.«
Erst aus diesem Bericht erfuhren Mao Zedong, Zhang Wentian und die anderen, dass im Norden von Shaanxi eine Abteilung der Armee der Kommunistischen Partei und ein revolutionäres Stützpunktgebiet lagen. Das war eine große, unerwartete Freude für sie.
Am 28. September hielten sie in dem Städtchen Bangluo im Kreis Tonglei eine Versammlung ab und beschlossen, dieses Gebiet im Norden von Shaanxi zum Ziel des Langen Marsches zu machen.
Am 29. September erreichten unter anderen Mao Zedong und Peng Dehuai im Gefolge der ersten Armeekolonne die Kreisstadt von Tongwei. Anschließend erreichten die Führer des Zentralkomitees der Partei und der Militärkomitee-Organisationen wie Zhou Enlai und Ye Jianying im Gefolge der zweiten Marschkolonne die Kreisstadt. Bei einer Begrüßungsfeier in einer Volksschule in der Wendiangasse hat Mao Zedong zum ersten Mal das Regelgedicht »Der Lange Marsch«, das er unterwegs geschrieben hatte, vorgetragen:
Nicht fürchtet die Rote Armee weiten, beschwerlichen Gang
Tausendmal, ruheerwartend, Fluss, zehntausendmal Klamm
Fünf hohe Gebirge gewunden Bäche entlang
Majestätisch Wu-Meng, Weg durch Steine und Schlamm
Die Wolkenschlucht warm, das Rauschen des Jinsha hallt,
Dadu-Brücke, quer über Eisenketten und kalt
Wie lieb dann Berg Min und tausend Meilen Schnee
Ganz überwunden, danach, ganz die lächelnde Armee
Allerdings ereignete sich im neunten Jahr nach der Machtergreifung durch die KPCh in Tongwei eine
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