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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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ist reifer Reis schon im Vorhinein geschafft worden«. Der für die Propagandaarbeit zuständige leitende Generalsekretär des Provinzkomitees Yan Xiufeng gab also wohl oder übel bekannt: »Die Zeitungen sollen nicht über diesen Satelliten berichten.«
    Doch die Sichuan nongmin ribao (Sichuaner Bauernzeitung), deren Chefredakteur nicht an der Sitzung unter dem Vorsitz von Yan Xiufeng teilgenommen hatte, brachte tags darauf eine ganz groß aufgemachte Titelseite mit diesem Bericht. Daraufhin strömten die Leute aus Chengdu und aus den Kreisen zu diesem Stück Acker. Als die Ernte abgeschlossen war, wurde verkündet, auf diesem Acker sei ein Ertrag von 45217,5 Pfund pro Mu erzielt worden.
    Als Song Wenbin über den Sachverhalt informiert wurde, wies er das Kreiskomitee von Pi an, eine Massenversammlung zu veranstalten, den Fehler einzuräumen und eine schriftliche Selbstkritik zu verfassen. Diese Selbstkritik war noch nicht bei ihm angekommen, als die Renmin ribao in Beijing am 3. September eine Sondernummer brachte, in der sie diesen falschen »Satelliten« bestätigte.
    Am 12. September brachte die Sichuan ribao auf der Titelseite eine Sensationsmeldung: Die Gemeinde Youai im Kreis Pi habe die 80000 Pfund-Marke Ertrag pro Mu durchbrochen! Das war der höchste Ertrags-»Satellit«, den es bis dato gegeben hatte. Die Sichuan ribao brachte eine solche Meldung, weil der erste Sekretär Li Jingquan aus Beidaihe zurück war. Die Sichuan ribao war das Sprachrohr Li Jingquans.
    Li Jingquan, 1909 in der Provinz Jiangxi geboren, ging 1927, als während des Nanchang-Aufstandes die Truppen nach Süden zogen, zur Armee. 1931 wurde er Politkommissar der 35. Armee im Zentralen Sowjetgebiet, auf dem Langen Marsch war er Leiter des direkt dem Zentralkomitee unterstellten Politbüros der Truppe. Während des Antijapanischen Widerstands war er Politkommissar der 8. Armee und während des Befreiungskrieges Sekretär der Amtsstelle Jinsui. 1952 wurde er Provinzkomiteesekretär der Provinz Sichuan und Vorsitzender der Provinz in Personalunion. Die Kader nannten ihn weiter Kommissar Li.
    Kommissar Li war nicht sehr zufrieden über den Misserfolg mit dem in seiner Abwesenheit gestarteten »Satelliten«. Zu Song Wenbin sagte er: »Wenn die 40000-Pfund-Mu aus dem Kreis Pi nicht wahr sind, dann macht sie wahr!« Li Jingquan wollte, dass das Gebietskomitee die »volle Wahrheit« über diesen Satelliten zugab und den Ruf des Kreises wiederherstellte. Das Komitee verfasste eilig eine Selbstkritik und gab zu, dass seine Haltung in »niedrige Aussaat, hohe Produktion, höhere Erträge« nicht fest gewesen sei und man die Erfolge des Kreises Pi nicht genügend ermutigt und unterstützt habe.
    In einem Bericht des Kreises Pi heißt es: »Der Wind der Übertreibung erhob sich zuerst im Bereich der Produktionsmengen, anschließend weitete er sich auf die Produktion aus, im Bezug auf jedes Kettenglied zwischen Aussaat und Ernte wurden nach oben ›Wunderzahlen‹ und ›Sprung-nach-vorn-Zahlen‹ gemeldet.« Manchmal wurden »durchschnittlich einige hunderttausend Pfund Dünger pro Mu« und ein »Anstieg der bebauten Fläche um das Mehrfache« gemeldet, später herrschte dieser Wind der Übertreibung überall. [150]  
    Im Kreis Pi wurden relativ große Volkskommunen wie die Volkskommune Roter Glanz oder Morgenglanz immer weiter zusammengelegt. Wenn die Volkskommune groß war, war auch ihre Kantine groß. Manche Mitglieder mussten für eine Mahlzeit sieben, acht chinesische Meilen [dreieinhalb bis vier Kilometer, Anm. d. Übers.] laufen. Nach den Zusammenlegungen kannten die Kader ihren Zuständigkeitsbereich nicht mehr und die Mitglieder der Kommune kannten einander nicht. [151]  
    Dann kam die große Stahlproduktion. Provinzweit wurden binnen Tagen einige zehntausend Lehmhochöfen hochgezogen und die Stahlschmelzbrigaden arbeiteten Tag und Nacht. Im Gebiet Wenjiang, wo es keine Kohle und keine Erzminen gab, hat man über 50000 der besten Arbeitskräfte abkommandiert und ein großes Stahlschmelzbataillon zusammengestellt und es Richtung Berge im Westen in Marsch gesetzt. Wo es keine Kohle gab, hat man Bäume gefällt.
    Die Schmelzbrigaden im Kreis Chongqing brauchten Ziegel für den Bau der Hochöfen, also wurden im Kreis mehrere zehntausend Studenten, Arbeiter, Behördenkader und Anwohner für den Abriss der Stadtmauer organisiert, die Tag und Nacht Ziegelsteine in die Berge schafften. Es gab keine Stadt, kein Dorf und keine Einheit, in der

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