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Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Titel: Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Herzoginwitwe und hob ihren mehrfach beringten Mittelfinger.
    Alfie stotterte weiter nichts. Auch in ihm war es still geworden. Die Erkenntnis, von einer Horde greiser Auftragsmörder umgeben zu sein, deren auserkorenen Alterssitz er mitsamt Tiefkühlleiche soeben geerbt hatte, überforderte ihn aufs Heftigste. So mussten sich die Menschen des Mittelalters gefühlt haben, als sie erfuhren, dass die Erde doch keine Scheibe war, von deren Ende man in infernalische Tiefen stürzen konnte, sondern ein Steinbällchen, das durchs Universum kreiselte. Der Durchschnittsmensch war für eine Erkenntnis von solcher Dimension nicht geschaffen. Und Alfie schon gleich gar nicht. Er hatte das Gefühl, vom Rand der Scheibe, die bislang sein Leben gewesen war, schreiend ins Bodenlose zu fallen. Aber es war ein stummer Schrei. Mehr so innerlich.
    Yussef sprang von Mosche Dajans Schulter auf die Küchentheke, von dort auf einen Küchenhocker und dann hinunter auf den Boden, wo er genüsslich Alfies kleine Jägermeisterpfütze aufschleckte.
    Wenigstens einer im Haus schien ganz mit sich im Reinen und rundum glücklich!

6
Der Morgen danach
    Alfie wälzte sich im Bett, schreckte ständig hoch, tat kein Auge zu. Schließlich hievte er sich im Morgengrauen völlig gerädert aus den Federn. Von wegen, der beste vierbeinige Freund des Menschen ist sein Bett. Nichts war quälender, als wenn einem das Vertraute abrupt seine Segnungen vorenthielt.
    „Er weiß aber schon, dass wir ihn töten, wenn er zur Polizei geht?“, hatte die Herzoginwitwe mit dezidiertem Bühnenflüstern in die Runde gerufen, als Alfie sich nach dem Abendessen auf sein Zimmer zurückzog. Natürlich hatte er das über dem Knarzen der Treppenstufen noch deutlich gehört.
    Die ganze Nacht hatte er auf verstohlene Schritte gelauscht, war immer wieder schweißgebadet aufgewacht, weil er fürchtete, im Schlaf erdolcht zu werden. Oder noch schlimmer. Hing da nicht ein Spinnwebfaden von der Decke? Direkt über seinem Kopf? War nicht in einem der Bond-Filme jemand auf exakt diese Art und Weise in den Tod befördert worden – indem durch ein Loch in der Zimmerdecke Gift auf einen Faden getröpfelt wurde, der genau über dem Mund des Schlafenden endete? Wie in Zeitlupe war der Gifttropfen in den weit offenen Rachen des Schnarchers gefallen und – zack! – tot. Alfie wechselte mit dem Kopf ans Fußende des Bettes, aber er konnte trotzdem nicht schlafen.
    Um 5 Uhr 30 gab er das fruchtlose Unterfangen auf. Er stand auf, zog seine Windjacke an (die Kleider hatte er gar nicht erst abgelegt), krallte sich seinen Einkaufstrolley und schlich über den Flur zur Treppe.
    Eine knarzende Stufe ...
    Er lauschte in die Stille. Hatte ihn jemand gehört?
    ... noch eine knarzende Stufe ...
    Wieder lauschte Alfie. Rührte sich etwas im Haus?
    ... noch eine knarzende Stufe ...
    „Du weißt schon, dass es sowas wie senile Bettflucht gibt? Hast du wirklich geglaubt, wir liegen alle in seligem Schlummer und du kannst dich einfach aus dem Staub machen?“
    Jeff Bridges stand in einem blau-weiß-gestreiften Frotteebademantel in der offenen Küchentür, eine dampfende Tasse in der Hand.
    „Ich wollte mich nicht aus dem Staub machen“, widersprach Alfie. „Ich wollte nur ...“
    Aber natürlich gab es darauf keine passende Antwort. Nicht mit dem gepackten Einkaufstrolley im Schlepptau.
    „Es bringt nichts, wenn man vor seinen Problemen davonläuft. Probleme sind wie Bluthunde – egal, wo du hinläufst, sie laufen hinterher und spüren dich auf.“ Jeff winkte ihn in die Küche. „Auch eine Tasse Kaffee? Von dem Guten, nicht dieses entkoffeinierte Zeugs, das die Mädels trinken?“
    Ohne Alfies Antwort abzuwarten, ging er in die Küche und goss er einen weiteren Becher voll.
    Alfie atmete seufzend aus und folgte ihm.
    „Danke.“ Alfie nahm den Becher und setzte sich an den Küchentisch. So wie er war, in Windjacke und mit seinem Einkaufstrolley zwischen den Beinen.
    „Jungelchen“, fing Jeff Bridges an, „ich verstehe ja, dass dich all das hier ein wenig mitgenommen hat.“
    „Ein wenig?“ Alfie hatte es nicht ganz so mezzosopranig klingen lassen wollen, aber die Angst trieb seine Stimme nach oben.
    „Also schön, sehr mitgenommen hat. Dein Onkel tot, dein Erbe ... nicht ganz so, wie du es dir vielleicht erhofft hast ... und dann noch wir alten Säcke. Aber du packst das, ganz sicher.“ Jeff Bridges bedachte ihn mit einem Blick, wie ihn japanische Zen-Meister für junge Mönche aufsparten.

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