Grace - Die Biographie
fatalen Auswirkungen – liegt eine humanistische Überzeugung zugrunde, insbesondere etwa in Das siebte Kreuz oder Die Geschichte einer Nonne . Dieser Humanismus findet sich auch in dem Drama Zwölf Uhr mittags wieder, das viel mehr die Züge eines Kammerspiels trägt als die eines typischen Westerns. Thematisiert wird in einigen von Zinnemanns sozialkritischen Arbeiten, so gerade auch hier, unter anderem der Einsatz des Einzelnen für das Gesamte, und hierbei sowohl das Glück bringende Moment, das dieser letztlich altruistische Einsatz mit sich bringt, als auch das persönliche Opfer.
Fred Zinnemann wird gemeinhin die Entdeckung späterer Hollywoodstars wie Marlon Brando, Montgomery Clift und eben Grace Kelly zugeschrieben. In den beiden anderen Fällen mag dies zweifellos zutreffen, zumal Marlon Brando vor Zinnemanns Die Männer noch nie auf der Leinwand zu sehen war, ebenso wenig wie der junge Montgomery Clift, der erstmals in The Search zu sehen ist. Mit Grace Kelly liegt der Fall noch etwas spezifischer: Zwölf Uhr mittags ist – von ihrem knappen Dreiminutenauftritt in Hathaways Vierzehn Stunden abgesehen – zwar ihre erste relevantere Nebenrolle, die ihr im Vorspann immerhin den Platz als Fünftgenannte einbringt. Doch bringt ihre Rolle der Amy Kane, die immer noch vergleichsweise klein ausfällt, noch nicht die nachhaltige Aufmerksamkeit von Presse und Publikum mit sich. Dies wird erst durch die nächsten beiden Filme geschehen – John Fords Mogambo und vor allem Alfred Hitchcocks Dial M for Murder (Bei Anruf Mord, 1954) .
Fred Zinnemann beschreibt die Rolle der Amy schlicht folgendermaßen: »Wir benötigten einfach nur eine attraktive, jungfräulich wirkende und gehemmte junge Schauspielerin, die typische Western-Heroine.« 94 Für die Rolle der frisch vermählten, sehr jungen Quäkerin Amy Kane sei Grace Kelly geradezu ideal gewesen, so Zinnemann weiter, »vielleicht weil sie handwerklich gesehen im Grunde noch nicht so weit war und deshalb eher angespannt und distanziert wirkte«. 95 Grace ist nervös. Scheu und schüchtern sitzt sie da, bei dieser Begegnung, der Name Zinnemanns mag ihr Respekt abfordern, vielleicht aber auch ein wenig Angst einflößen. Hat sie doch, bis auf die zwei Drehtage am Set von Vierzehn Stunden , mit ihren einundzwanzig Jahren noch keinerlei Dreherfahrung in Hollywood. Sie trägt weiße Handschuhe bei diesem ziemlich stockend und kurz verlaufenden Vorstellungsgespräch, und beantwortet die meisten Fragen des Regisseurs äußerst wortkarg mit einem bloßen ›Ja‹ oder ›Nein‹. Zinnemann, selbst ein Mann knapper Worte und nicht sehr redselig, sieht sich nach einiger Zeit ob dieser Situation überfordert, das »Gespräch kam bald zum Stillstand«, und er schickt sie »mit einem Gefühl der Erleichterung, (…) weiter zu Foremans Büro«. 96 So verabschiedet er Grace vorläufig, nicht ohne ihr ausgerechnet den Rat mit auf den Weg zu geben, sie solle lernen, wie man mit Menschen rede und eine Konversation führe, wenn man sich zum ersten Mal begegne.
Komponist Dimitri Tiomkin beschreibt Grace als jemanden, der am Set von Zwölf Uhr mittags oftmals wie fehl am Platz gewirkthabe: »Niemand von uns hätte in ihr die zukünftige Prinzessin Gracia gesehen.« 97
Am 19. Juli schließlich ist in der US-Presse zunächst zu lesen, dass die Stanley Kramer Productions den Drehbeginn des Films Zwölf Uhr mittags für Ende August, Anfang September ankündigen – mit Gary Cooper in der Hauptrolle sowie mit einer gewissen Grace Kelly, einer Leinwand-Newcomerin. Doch erst am 10. August, nur achtzehn Tage vor dem avisierten Produktionsbeginn, erhält Grace, während sie in Denver engagiert ist, schließlich das Telegramm mit der finalen Bestätigung durch Produzent Stanley Kramer und folgendem Inhalt: »Können Sie 28. August im Studio sein – Hauptrolle – Partner Gary Cooper – vorläufiger Titel ›High Noon‹.«
Die Vorlage zu Zwölf Uhr mittags bildet die gerade einmal acht Seiten umfassende Kurzgeschichte The Tin Star von John W. Cunningham, auf deren Grundlage Carl Foreman das Drehbuch schreibt. Die Stanley Kramer Productions verantwortet die Produktion des Films für das Studio der United Artists, dem kleinsten der US-Major-Studios, das ab 1961 etwa die weltweit populären und überaus einträglichen James-Bond-007- Filme produziert. Mit achtundzwanzig Drehtagen und einem Budget von 750 000 US-Dollar ist Zwölf Uhr mittags für Hollywood-Verhältnisse letztlich eine
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