Grace - Die Biographie
Nominierungen an den Film.
Der Film wird zu einem großen Erfolg, bei Presse und Publikum gleichermaßen, verbindet – was selten genug ist, auch in Hollywood – Kunst und Kommerz miteinander, vereint Kasse und Kritik. Für die United Artists wird die Low-Budget-Produktion im Nachhinein ein wichtiger Film.
Nur eine ist mit sich nicht zufrieden und betrachtet ihre Leistung sehr selbstkritisch – ein Wesenszug, der gerade im Verlauf ihrer sechsjährigen Filmkarriere oft zum Tragen kommt, ein Merkmal, dass sie schon früher in Philadelphia anders erscheinen ließ. Nicht weil sie in den Rezensionen nur mit ein oder zwei Zeilen bedacht wird und der immense Erfolg Gary Coopers zuvor abflauender Karriere neuen Auftrieb verleiht, vielmehr findet sie sich nach den allerersten Voraufführungen in ihrer eigentlichen Leinwandpräsenz schlichtweg schlecht, flach und ausdruckslos: »Bei der Arbeit mit Gary Cooper war alles so klar. (…) Wenn ich ihm ins Gesicht schaue, weiß ich genau, was er denkt.Aber wenn ich dagegen mich auf der Leinwand sehe, erkenne ich überhaupt nicht, was in dieser Frau vorgeht.« 99
Gary Cooper hingegen, von Hollywoods Klatschkolumnistin Hedda Hopper auf Grace Kelly angesprochen, erkennt das Potential, das Talent und die Wirkung seiner jungen Kollegin: »Ich wusste, dass sie ihre Arbeit sehr ernst nahm (…) sie hielt ihre Augen und Ohren offen. Sie versuchte, zu lernen, das konnte man sehen. Man kann das erkennen ob jemand wirklich eine Schauspielerin sein will. Sie war einer von diesen Menschen, bei denen man dieses Gefühl bekommen konnte – und sie war sehr schön. Es überraschte mich nicht, als sie großen Erfolg hatte (…)«. 100
Es gibt – neben diversen kürzeren, weniger aussagekräftigen Auftritten – zwei große Dialogszenen, die Grace Kelly in Zwölf Uhr mittags hat und die ihre Rolle der jungen – zwar schüchternen, aber dennoch bestimmten – Quäkerin Amy Kane klar charakterisieren. Es ist diese Mischung aus verhuschter Schüchternheit und dezidierter Bestimmtheit, die auch Graces eigenem Charakter entspricht.
Die erste Szene spielt im Büro des Marshal. Kane blickt – wie so oft während des Films – auf die Standuhr, die 10.50 Uhr anzeigt. In siebzig Minuten wird der Zug am Bahnhof eintreffen. Es ist der Moment der Entscheidung: Verlässt er mit Amy endgültig und für immer die Stadt, nachdem sie mit ihrem bepackten Pferdewagen doch gerade bereits umgekehrt sind, oder stellt er sich seinem Widersacher. Kane wähnt sich zudem noch in der Situation, man würde ihm beistehen und helfen, und vertraut auf seine Kameraden. Ein fataler Irrtum, wie sich herausstellen wird. Amy und Kane sind noch keine Stunde verheiratet und müssen bereits über ihre gemeinsame Existenz entscheiden:
Will: »Ich hab nur eine Stunde Zeit und noch eine Menge zu tun. Warte im Hotel auf mich, bis alles vorbei ist.«
Amy : »Nein! Wenn es vorbei ist, werde ich nicht mehr hier sein. Du verlangst von mir, eine Stunde zu warten, bis sich herausstellt, ob ich deine Frau oder deine Witwe bin. Mir ist diese Wartezeit zu lang. Ich werde es nicht tun. Ich meine es ernst: Entweder kommst du jetzt mit mir, oder ich werde mit dem Mittagszug weiterfahren.«
Will: »Ich muss hierbleiben.« 101
Daraufhin sieht sie ihn stumm und versteinert an, geht dann zur Tür, macht diese auf, geht hinaus, besteigt den Pferdewagen und fährt davon, während er ihr nachsieht und genau in diesem Moment Sänger Tex Ritter mit dem leitmotivischen melancholischen Song Do Not Forsake Me, Oh My Darlin’ einsetzt.
Es ist der erste längere Dialog überhaupt, den Grace Kelly in ihrer Leinwandkarriere zu sprechen hat. Amys letzte Worte, bevor sie selbst zur Tür des Marshal-Office hinausgeht, wirken wie ein Monolog, wie ein verzweifelt hoffendes Plädoyer.
Die zweite Szene – es ist bereits 11.45 Uhr – handelt davon, dass Amy ihrer Vorgängerin Helen Ramirez (Katy Jurado) – sie war einmal mit Will Kane zusammen – einen Besuch abstattet, in dem sie den Beistand der Ehefrau, die ihre Familie aufgrund eines solchen Kampfes für das Recht verloren hat, moralisch diskutieren:
Helen: »Was sind Sie bloß für eine Frau! Ihn einfach im Stich zu lassen. Aus Angst vor ein paar Pistolenschüssen wegzulaufen.«
Amy: »Nein, Mrs. Ramirez. Ich hab keine Angst. Mein Vater und mein Bruder wurden beide erschossen. Das Recht war auf ihrer Seite, aber das hat ihnen auch nicht viel geholfen, als die Schießerei anfing. Mein Bruder war
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