Grace & Josephine - Eingeschneit (German Edition)
Lyrik spezialisiert und bot sogar frühe Ausgaben von Emily Dickinsons und Walt Whitmans Werken an.
Bei Jo brauchte sie keine Bedenken zu haben, die war selbst mit einer wundervollen Familie beschert und glückselig in ihrem eigenen kleinen Café, das sie in Providence führte. Und mit Jo war es auch etwas anderes, von Anfang an gewesen. Bei ihr fühlte sie sich verstanden, ihr konnte sie auch Unwichtiges erzählen und es wurde doch mit Interesse aufgenommen. Bei ihr fühlte sie eine tiefere Verbindung – Seelenverwandtschaft. Manchmal scherzten sie beide, dass man unter dem Begriff „Seelenverwandtschaft“ im Lexikon ein Bild von ihnen beiden zeigen sollte.
Und trotz allem hatte sie dieses mulmige Gefühl in der Magengegend, das sie einfach nicht loslassen wollte.
Piep, Piep … eine SMS von Jo. War sie schon in New York angekommen?
GRACE, ICH BIN NOCH IMMER UNTERWEGS. WIR KONNTEN DOCH NOCH NICHT WIE GEPLANT WEITERFAHREN, DENN ETWAS TRAGISCHES IST PASSIERT. MEINE SITZNACHBARIN RUTH, VON DER ICH DIR NOCH ERZÄHLEN WOLLTE, WEIL MICH IHRE GESCHICHTE SO BERÜHRT HAT, IST GESTORBEN. MITTEN IM ZUG. ICH BIN GANZ ERSCHÜTTERT UND WÜNSCHTE SO SEHR, ICH WÄRE SCHON BEI DIR. ICH BRAUCHE GANZ DRINGEND JEMANDEN, DER MICH IN DEN ARM NIMMT.
Oh nein , dachte Grace, und all ihre anderen Gedanken waren sofort wie weggeblasen. Es zählte nur noch Jo und ihr Kummer. Wie gerne wäre sie jetzt bei ihr, um ihr Trost zu schenken.
JO, DAS IST EINFACH SCHRECKLICH. ICH WEISS NICHT, WAS ICH SAGEN SOLL, ES TUT MIR SO UNENDLICH LEID. FÜHL DICH GEDRÜCKT, GANZ BALD WERDE ICH BEI DIR SEIN! WO BIST DU GERADE? WANN KOMMT DEIN ZUG AN DER PENN STATION AN?
WIR WERDEN IN ZEHN MINUTEN EINFAHREN. ICH KANN ES KAUM ERWARTEN, DICH ZU SEHEN.
ICH AUCH, JO. ICH SITZE IM TAXI UND BIN GANZ BALD AM TIMES SQUARE UND WARTE DORT AUF DICH. ICH HAB DICH LIEB.
ICH HAB DICH AUCH LIEB, GRACE! BIS GLEICH!
Grace fühlte mit Jo und alles, was sie wollte, war jetzt bei ihr zu sein. Sie sah aus dem Fenster und erst da entdeckte sie, dass der Verkehr stockte. Sie stand mitten im Stau. Tränen bildeten sich in ihren Augen. Womit haben wir das nur verdient? , fragte sie sich und suchte nach einem Taschentuch.
JOSEPHINE
Es war jetzt 12:45 Uhr und sie konnte es noch immer nicht glauben: Nach über fünf Stunden Zugfahrt hatte sie es endlich geschafft und stand mitten in der Penn Station und atmete die New Yorker Luft ein. Mit ihrem Trolley fest im Griff, begab sie sich zum Ausgang, was sich als schwieriger erwies als gedacht, da es ein ziemliches Gedränge und Geschiebe war. Wenn es etwas gab, das Jo hasste, dann Menschen, die dachten, dass sie eine eingebaute Vorfahrt hätten und davon ausgingen, dass man ihnen automatisch aus dem Weg ging, wenn sie einem entgegenkamen. Das war wie mit BMW-Fahrern, die dachten, wenn sie sich das Auto kauften, dass sie auch gleich die Vorfahrt mitgekauft hätten. Selbst in dieser Situation war das etwas, über das sie sich aufregen konnte.
Oh nein! Jetzt wird kein Gedanke mehr an Negatives verschwendet! Ich bin hier, Grace ist hier und jetzt müssen wir nur noch zueinander finden. So schwer kann das ja nicht sein, und was sollte denn jetzt noch Großartiges passieren, nach einem solchen verrückten Start in unser geplantes Wochenende? Da kann und wird nichts mehr schiefgehen!, g ing es Jo durch den Kopf, als sie in Gedanken versunken plötzlich gegen eine Wand lief.
STOPP!
Seit wann wurde man von einer Wand mit Kaffee übergossen?
Als sie ihren Blick aufrichtete, sah sie in die Augen eines entsetzten Mannes, der den Blick von ihrem Gesicht runter zu ihrem Mantel gleiten ließ, den sie kurz vor dem Aufprall dummerweise geöffnet hatte, weil ihr mal wieder viel zu warm gewesen war. Genau in diesem Moment hätte sie sich dafür in ihren
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