Graciana - Das Rätsel der Perle
legten, sobald sie aus dem Verschlag entkommen konnten. Sie kannte das aus Sainte Anne, und sie hatte sich angewöhnt, jeden Nachmittag einen Kontrollgang durch die Ställe zu machen.
Auch heute war sie dieser Gewohnheit gefolgt, nicht ahnend, dass sie dabei auf den Seigneur des Iles treffen würde. Ihr Herz raste, als sie in Gedanken noch einmal diese Szene durchlebte.
Er lehnte am Verschlag seines Streitrosses, fütterte das temperamentvolle Tier mit verschrumpelten Möhren und glich in den engen Reithosen und dem halb offenen Leinenhemd einem unbeschwerten Pferdeknecht.
Graciana stieß einen erschreckten kleinen Laut aus, als sie so unerwartet vor ihm stand.
»Verzeiht, ich ...«
»Bleib!«
Er griff nach ihr, ehe sie wieder den nötigen Abstand zwischen sich und ihn legen konnte. Er zog sie eng an sich heran, so nah, dass sie das gefährliche Glimmen in seinen Augen erkennen konnte. Seit Tagen war es ihr gelungen, ihm aus dem Weg zu gehen, aber nun war eine Spannung zwischen ihnen entstanden, so bedrohlich wie ein Gewittersturm.
»Nicht so hochnäsig, mein tüchtiges Fräulein«, sagte er und zog sie noch näher. Graciana wagte nicht einmal mehr zu atmen. Seine Gegenwart weckte eine gefährliche Nachgiebigkeit in ihr, die sie vergeblich niederzukämpfen versuchte.
»Was wollt Ihr von mir?«
»Vielleicht ein wenig plaudern?«, spottete er. »Vielleicht ein wenig Vergnügen im Heu? In der Tat, das bringt mich auf eine Idee. Vielleicht bist du eine von jenen Frauen, die das Unerwartete, Unvorbereitete schätzen, meine Schöne? Ich jedenfalls habe es satt, auf dein Entgegenkommen zu warten!«
Entgegenkommen! Graciana schnappte nach Luft und versuchte die Hitze zu ignorieren, die in ihr aufstieg. Der Eierkorb fiel ihr aus der Hand, ohne dass sie es bemerkte. Kérven drängte sie neben dem großen Verschlag in eine Nische, die halbhoch mit duftendem Heu gefüllt war, und ehe sie begriff, was er vorhatte, ließ er sich mit ihr in das weiche, knisternde Lager fallen. Es duftete nach Sommer.
Kérvens Gewicht drückte sie nach unten, und er lag so auf ihr, dass sie deutlich sein Begehren spüren konnte. Seine Hand fuhr über ihren Schenkel und die Wade und schob den Rocksaum nach oben. Graciana bemühte sich vergeblich, zu jener Kälte und Beherrschung zurückzufinden, mit der sie ihn seit seiner Rückkehr auf Distanz gehalten hatte. Erfolglos! Ihre eigene Sehnsucht war zu groß, ihr Körper war zu schwach. Doch es durfte nicht sein!
Und was am schlimmsten war, Kérven nutzte ihre Schwäche sofort aus, begann einen Angriff auf all ihre Sinne. Seine Hand glitt zwischen ihre Schenkel, reizte und liebkoste sie, und als er spürte, wie schnell sie für ihn bereit war, drang er auch schon in sie ein. Doch ebenso schnell zog er sich wieder zurück.
Graciana stieß einen Protestlaut aus und öffnete die Augen.
»Warum hört Ihr auf?«, seufzte sie.
»Weil ich will, dass du mich darum bittest, dich zu nehmen!«
»O nein!« Graciana war erfüllt von Lust und Verlangen, ihr Herz raste. Sie wollte ihn so sehr, sehnte sich nach Erfüllung – wie konnte er ihr so etwas antun?
»Wie ist das, mein Engel«, fragte er leise, während er sie gerade noch berührte und fühlen ließ, wie es sein könnte. »Sag mir, dass du mich willst! Sag mir, dass du es brauchst, meine Schöne! Bitte mich darum, dich zu lieben!«
Graciana starrte ihn wütend an, spürte, wie Kérven den Druck ein wenig verstärkte, wie er sie reizte und lockte.
»Nehmt mich!«, rief sie plötzlich, obwohl sie es doch gar nicht wollte. »Nehmt mich, ich brauche Euch! Ich sterbe, wenn Ihr mich nicht ausfüllt ...«
»O nein, schöne Graciana, du wirst nicht sterben!«, raunte Kérven und glitt dann tief in sie hinein.
Graciana schluchzte trocken auf und wölbte sich ihm entgegen. Er bewegte sich wild, doch sie genoss es, und schließlich schrie sie auf, als die Welt um sie herum in Lust versank.
Noch jetzt schien diese Lust in ihrem Leib nachzuhallen. Als Kérven sich von ihr gelöst hatte, hatte sie sich erhoben und war wie von Furien gejagt aus dem Stall gerannt.
Hatte sie sich das Lachen nur eingebildet, das ihr nachschallte?
»He, du da!«
Graciana schüttelte den Kopf, als könnte sie damit auch ihre Gedanken loswerden. Sie sah sich um und entdeckte den Fuhrmann, der die Holzlieferung gebracht hatte. Er schenkte ihr ein Lächeln. Sie sah, wie weiße Zähne in dem enormen schwarzen Bart aufblitzten. Er suchte offensichtlich Unterhaltung, während
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