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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Kostverächter war, verspürte er seltsamerweise nicht die geringste Lust auf diese kleine Nonne. Er stemmte die Handflächen auf den Tisch, erhob sich und verließ seinen Platz. Eine breitschultrige, hohe Gestalt, die dennoch gedrungen und untersetzt wirkte. Wie ein Fels, der sich auf zwei Beinen fortbewegt.
    Graciana sah ihn auf sich zukommen, aber sie wich keine Hand breit zurück. Mit einer Mischung aus Schock und Entsetzen stellte sie fest, dass sie wusste, was er vorhatte. Sie wusste, dass er sie schlagen würde, noch ehe ihr Kopf unter der Wucht des groben Hiebes zur Seite flog und sie auf die Knie fiel, weil sie sich nirgends halten konnte. Sterne tanzten vor ihren Augen, und ihre Wange brannte wie Feuer.
    »Bist du jetzt bereit, meine Frage zu beantworten, Mädchen?«
    Vor Graciana ragten stämmige Beine hoch. Stiefel bis auf die Hälfte des Oberschenkels und eine Hand, die sich zur Faust ballte, als wollte sie ein weiteres Mal und noch heftiger zuschlagen.
    Sie schaute auf und begegnete dem gelben Falkenblick mit einer Ruhe, von der sie selbst nicht wusste, woher sie kam. Wie sie ihn hasste, diesen Schurken. War er so auch mit ihrer Mutter umgesprungen? Mit einem Mädchen, dessen Eltern er vermutlich vor den Augen seines Opfers niedergemetzelt hatte?
    Wie konnte Gott es zulassen, dass ein so abscheulicher Mensch anderen weh tun durfte? Der Hass ließ pures Feuer in ihren Augen funkeln, und ihre ganze Haltung schrie ihm Verachtung entgegen. Nur ihr Mund blieb stumm.
    »Es hat den Anschein, man müsste dir ein wenig Benehmen beibringen, meine Kleine«, sagte der Herzog mit falscher Freundlichkeit und einer Stimme, die wie Säure ätzte. Er führte nichts Gutes im Schilde. »Gordien! Bring das Täubchen nach unten!«
    »Wollt Ihr sie jetzt noch foltern?«
    Der Schwarze Landry lehnte am Tisch des Herzogs und betrachtete seinen Dolch, als sei er sein Gesprächspartner, ehe er damit begann, den Schmutz unter seinen Fingernägeln herauszuholen. »Nun, zumindest wird die Sache dann nicht lange dauern. Ich nehme an, das Weib ist am Ende seiner Kräfte, nachdem wir es Tag und Nacht hierhergeschleppt haben ...«
    Was sollte das sein? Ein geschickt formulierter Versuch, sie vor dem Schlimmsten zu bewahren? Graciana vermochte in diesem Moment keine Rätsel zu lösen. Ihr Kopf dröhnte entsetzlich, und jede Bewegung machte die Sache nur noch schlimmer. Sie blieb liegen, wo sie sich befand, und sehnte sich nach einer gnädigen Ohnmacht.
    »Du hast recht«, stimmte Paskal Cocherel nach kurzem Zögern dem Schwarzen zu. »Eine Nacht bei den Ratten wird sie auch ein wenig mürber machen! Bring sie ins Verlies, Gordien!«
    Graciana stolperte über ihre Füße, als man sie grob hochriss. Ihre Rocksäume wickelten sich um die Beine, und sie stürzte von neuem. Fußtritte in die Rippen sorgten dafür, dass sie sich dennoch wieder hochrappelte. In diesem Hause hielt es niemand für nötig, die Steinquader mit einer wärmenden Strohschicht zu bedecken.
    Sie taumelte, aber sie dachte nicht daran, den Kopf zu senken. Sie begegnete dem Blick Paskal Cocherels mit trotziger Geringschätzung. Und wenn es sie den Kopf kostete, vor ihm würde sie keine Angst zeigen!
    Gordien riss eine der Fackeln von der Wand und zerrte Graciana unter einem Türsturz hindurch in einen karg beleuchteten Gang, von dem eine steile, hölzerne Treppe abzweigte, die geradewegs in die Tiefen der Erde zu führen schien. Dumpfige Stille und kühler, feuchter Moder lagen in der Luft. Der Schein der Fackel tanzte über feuchte Wände. Anscheinend handelte es sich bei den Steinen um die Fundamente des großen Hauptturmes, die beim Bau der Burg direkt aus dem Felsen herausgeschlagen worden waren.
    »Es ist nicht gerade das respektabelste Quartier, aber du wirst es schön ruhig hier unten haben«, meinte Gordien lachend und packte sie zur Abwechslung an den halb aufgelösten Zöpfen statt am Oberarm.
    Er verdrehte Graciana schmerzhaft den Hals, aber sie gab auch jetzt keinen Ton von sich. Ohne dass sie zuvor über eine Taktik nachgedacht hatte, hüllte sie sich in Schweigen, und gerade diese Stummheit reizte Gordien ebenso wie seinen Herrn. Weiber weinten, flehten, jammerten und heulten, blieben sie stumm, führten sie eine Bosheit im Schilde, wenngleich diese hier kaum in der Lage war, auch nur eine einzige Bewegung zu tun.
    Er drängte Graciana gegen die Wand und hielt die Fackel so nahe vor ihr Gesicht, dass sie den Kopf wegdrehen musste, wenn ihre Haare nicht

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