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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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die wütende Mutter Elissa. Sie war ihr vielleicht nicht die Großtante gewesen, die sie sich gewünscht hätte, aber sie schuldete ihr etwas. Ihr und den anderen Opfern, die in Sainte Anne d’Auray ihr Leben gelassen hatten, nur weil ein Söldnerführer, der zufällig ihr Vater war, den Befehl dazu gegeben hatte.
    »Ihr habt recht«, sagte sie nach einem tiefen Atemzug. »Lasst uns gehen!«

19. Kapitel
    Die große Halle der Burg von Rennes, in welcher der Herzog der Bretagne Gericht sprach, Gesandte empfing, Feste feierte und Gesetze verkündete, summte von den Vorbereitungen für das abendliche Bankett. Diener hatten die Bretter über die Schragentische gelegt und mit weißen, schweren Leinentüchern geschmückt. Bänke, Sitze, Herrschaftsstühle und Hocker wurden an die entsprechenden Plätze gerückt, schmückende Girlanden aus Tannengrün und Misteln aufgehängt; die Luft schwirrte vor Befehlen, Rufen und Flüchen.
    Trotzdem verstummte jeder Laut, als die Gruppe der Damen sie passierte, die zielgerichtet zum Arbeitskabinett des Herzogs schritt. Ein Page in den Farben des Hauses Montfort lief voraus, dann folgte die Oberhofmeisterin Dame Ludile de Tréboule, die eine junge Edeldame begleitete. Eine wahre Schönheit mit stolz erhobenem Kopf, die niemand kannte. Woher kam sie, wer war sie?
    Die prächtige Robe, die fürstliche Haltung, das edle Antlitz ließen keinen Zweifel an ihrer edlen Geburt zu. Welcher Ritter hatte dieses Zaubergeschöpf bisher auf seiner Burg versteckt? Welcher Vater erhoffte sich von ihrer Heirat mit einem mächtigen Mann Einfluss bei Hofe?
    Graciana fühlte die neugierigen Blicke, das heimliche Getuschel. Sie straffte instinktiv die Schultern und reckte das Kinn eine Spur höher. Hoffentlich verfing sich ihr Fuß nicht in all diesen Röcken! Das fehlte noch, dass sie Jean de Montfort wie eine dumme Magd vor die Zehenspitzen stolperte.
    »Der Herzog erwartet uns!«, verkündete Dame Lucile und wartete ungnädig darauf, dass die Wachen die Tür zum Herzog freigaben. Sie drückte die schweren Flügel auf und ließ Graciana den Vortritt.
    Jean de Montfort hatte die Männer seines engsten Rates um sich versammelt, und die hohen Herren sahen erst ein wenig verärgert, dann neugierig und schließlich fassungslos zur Tür. Ein seltsam erstickter Laut lenkte die Aufmerksamkeit auf den Waffenmeister des Herzogs.
    Pol de Pélage erhob sich wie von Schnüren gezogen von seinem Stuhl. Sein Gesicht war grau, und seine Hand verkrampfte sich in Höhe seines Herzens auf dem dunklen Stoff seines Samtwamses. Er starrte Graciana an wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt.
    Aber nicht nur er stand da wie vom Donner gerührt. Auch Kérven des Iles vermochte die schöne Edeldame nur wie ein Dorftölpel anzugaffen. Ohnehin von den beiden Tagen des vergeblichen Wartens an den Rand seiner Selbstbeherrschung gebracht, umklammerte er den Weinpokal aus kostbarem venezianischem Glas so fest, dass das Glas zwischen seinen Fingern zerbrach. Das leise Klirren wurde von der Stimme Jean de Montforts übertönt.
    »Ich freue mich, Euch so ausgeruht und wohl zu sehen, schöne Dame«, sagte er freundlich und warf einen schmunzelnden Blick in die Runde seiner entgeisterten Ratgeber. »Nehmt meinen Dank, Dame de Tréboule, für das, was Ihr vollbracht habt!«
    Dame Lucile versank mit hochrotem Kopf in einer Reverenz, während Graciana sich so ausschließlich auf den Herzog konzentrierte, dass sie weder Kérven des Iles noch Pol de Pélage wahrnahm. Der alte Waffenmeister hatte jetzt seinen Platz verlassen und trat auf sie zu, ohne ein einziges Mal den Blick von ihr abzuwenden.
    Graciana bemerkte ihn nicht. Sie sah nur den Herzog an. Sie verzichtete auch auf die höfische Verneigung. Das, was sie zu sagen hatte, vertrug keine eleganten Verzierungen, und sie sprach es mit klarer unmissverständlicher Stimme aus.
    »Ich fordere Gerechtigkeit, Herr Herzog!« Das Timbre, das ihre innere Anspannung verriet, machte ihre Worte noch eindringlicher. »Gerechtigkeit für die Nonnen von Sainte Anne d’Auray! Gerechtigkeit für die geschundene Äbtissin dieses Klosters, für ihre Schwestern, die einen entsetzlichen Tod gefunden haben, und Gerechtigkeit für Graciana de Cesson, die Ehre und Leben verloren hat, ohne dass ihr Rache zuteil wurde! Macht ein Ende mit den Greueltaten des selbst ernannten Herzogs von Cado! Straft Paskal Cocherel mit der ganzen Härte Eurer Gerechtigkeit!«
    Jean de Montfort sah in die flammenden, goldenen

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