Graciana - Das Rätsel der Perle
Männern, die sich unter den Augen ihrer Gemahlin eine Buhle hielten. Aus diesem Grunde hatte sie sich auch einverstanden erklärt, die zerraufte Person unter ihre Fittiche zu nehmen.
Aber schon jetzt vermochte sie zu erkennen, dass unter Schmutz und Vernachlässigung die eleganten Linien einer rassigen Gestalt und die Schönheit edelster Abstammung zum Vorschein kommen würden. Graciana mochte vieles sein, ein Bauernmädchen war sie sicherlich nicht.
Man musste nur die graziöse Anmut beobachten, mit der sie aß. Obwohl sie das Tablett mit der Gier eines hungrigen Wolfes leerte, so zeigte sie dennoch Manieren, und am Ende wischte sie sich sogar mit dem Mundtuch die Lippen ab.
»Ich habe noch nie so etwas Köstliches gegessen«, sagte sie begeistert. »Aber ich fürchte, dass ich mich jetzt nicht mehr rühren kann!«
»Ihr werdet es dennoch tun müssen«, kommandierte die Dame de Tréboule. »Einen Umhang, Arlette! Hast du dafür gesorgt, dass wir die Badestuben für uns haben? Gut, weiß die Näherin Bescheid? Der Schuhmacher, die Putzmacherin und die Frau mit den Kämmen? Der Bader? Dann lasst uns gehen, Dame Graciana!«
Von Kopf bis Fuß in einen dicken schwarzen Mantel gehüllt, eilte Graciana hinter der emsigen Oberhofmeisterin her, gefolgt von Arlette und einer kleinen Prozession von Dienerinnen, die gehörige Aufmerksamkeit erregte, wo immer sie vorbeikam.
In der Badestube wurden sie bereits erwartet. Heißes Wasser dampfte in einem riesigen, steinernen Becken, in dem gut und gerne fünf Menschen Platz gehabt hätten. Eine Bademagd, die nur ein ärmelloses Hemd trug, das mit Trägern über den Schultern befestigt war, nahm Graciana das Nachtgewand ab und führte sie zu den Stufen, die in den Rand des Beckens gehauen waren.
»Wenn Ihr Euch dort gegen die Mulde lehnt, kann ich mich während Eures Bades Eurer Haare annehmen«, sagte sie leise und deutete auf eine kleine Nische.
Staunend ließ sich Graciana in das wundervoll heiße Wasser gleiten und legte gehorsam den Kopf in die angegebene Mulde, sobald das Mädchen die Kanten mit einem mehrfach zusammengefaltenen Leinentuch abgedeckt hatte. Es fühlte sich himmlisch an. Sie schien zu schweben, und der zarte Rosenduft, der aus dem Wasser aufstieg, vermittelte ihr die Illusion, dass sie an einem schönen Sommertag mitten in einen blühenden Garten trat.
Unter ihrem Hinterkopf befand sich ein kleineres Becken, in das die Magd ihre Haare breitete, ehe sie mit vielen Eimern angenehm temperierten Wassers den gröbsten Schmutz ausspülte. Während die Flüssigkeit durch ein Loch in dieser Mulde davongurgelte, schäumte sie die nassen, langen Strähnen sorgfältig Partie für Partie mit einer geheimnisvoll duftenden Paste ein. Die leichte Massage ihrer Kopfhaut zusammen mit dem Wohlgefühl des Bades ließen Graciana genüsslich die Augen schließen.
Sie sah den kritischen Blick nicht, mit dem Dame Ludile die feingliedrige Figur musterte, die durch das Wasser schimmerte. Noch war ihr von der Schwangerschaft nichts anzumerken, und die Tage auf Cado hatten ohnehin an ihr gezehrt. Sie wirkte trotz ihrer Größe und der üppigen Brüste zerbrechlich zart.
Wenn Graciana indes geglaubt hatte, dass damit der Reinigungsprozess beendet sein würde, so sah sie sich getäuscht. Die Oberhofmeisterin kommandierte sie danach auf eine schmale Liege, wo sie sich nackt auf ein Tuch legen musste. Eine kräftige Magd knetete dort zu ihrer Verlegenheit duftendes Öl in ihre Haut, und ihr scheuer Protest wurde ignoriert. Die Frau schien ihre Bemühungen nur noch zu verstärken, und die energische Massage ihrer Finger schenkte Graciana nach und nach ein völlig unerwartetes Wohlbehagen.
»Ihr werdet Eure seidige Haut nicht lange behalten, wenn Ihr sie nicht besser pflegt!«, sagte die Oberhofmeisterin. »Dafür sind Bademägde schließlich da, Kind!«
Danach folgten weitere Güsse, die das restliche Öl von ihrem Körper spülten. Weiche, gewärmte Tücher, die sie trockneten, und neuerliche Fluten von duftendem Wasser, aber dieses Mal auf die bereits mehrfach gewaschenen Haare. Graciana verlor den Überblick, und als sie schließlich auf einem gepolsterten Hocker vor dem großen Kamin wieder in ihrer entzückenden Kemenate saß, hatte sie den Eindruck, dass Tage vergangen sein mussten.
»Ich habe mich noch nie so herrlich sauber gefühlt«, murmelte sie versonnen.
»Gab es denn dort, wo Ihr herkommt, keine vernünftige Badestube?« Die Oberhofmeisterin konnte ihre Neugier
Weitere Kostenlose Bücher