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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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gerafften Röcken, aber ehe sie draußen auch nur eine Silbe sagen konnte, fühlte sie den Griff des Seigneurs de Pélage um ihr Handgelenk.
    »Kein Wort über das, was in der Kammer des Herzogs gesprochen wurde, Dame Lucile!«, knurrte er gleich einem bedrohlichen Hofhund.
    »Aber ...«, schnaufte die Dame entrüstet.
    »Kein Wort!«, wiederholte der Waffenmeister seine Forderung. »Dies war der enge Rat, und was in diesem Raum gesprochen wird, ist nicht für andere Ohren bestimmt. Wenn seine Gnaden möchten, dass etwas davon bekannt wird, so wird er es selbst sagen. Haben wir uns verstanden?«
    »Haltet Ihr mich für eine Klatschbase?«, empörte sich die Dame de Tréboule.
    »Nein, aber für eine weichherzige Frau, die in ihrer Freude vielleicht eine Silbe zu viel verrät«, antwortete der Waffenmeister. »Ihr schätzt Euren Schützling genau, wie ich es tue, also lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass kein Makel auf ihre Person fällt. Und schon gar nicht der eines vergangenen Skandals! Sie benötigt kluge Ratgeber an ihrer Seite!«
    Dame Luciles Erregung verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Sie nickte zustimmend.
    »Folgt uns, Messire, ich zeige Euch, wo Dame Gracianas Gemächer sind!«
    Auch wenn niemand Genaues wusste, das Getuschel blieb. Der Anblick des Herrn de Pélage, der seine Faust für die unbekannte Schöne hinhielt, die ihn staunend anlächelte, war so verblüffend, dass alle Welt nach einer Erklärung suchte, aber keine fand.

20. Kapitel
    Es geht nicht!«
    Graciana stand am Fenster ihres exquisiten kleinen Gemachs, und die bunt ausgelegten Scheiben sprühten leuchtende Muster auf den grünen Samt ihres Kleides. Nach tagelangem Sturm und Regen war plötzlich ein Tag mit azurblauem Himmel und einer klaren, eisigkalten Sonne gekommen. Ein Licht, das keine Heimlichkeiten zuließ.
    »Weil Ihr nichts mit mir zu tun haben möchtet? Ihr haltet mich für einen Feigling!«
    »Aber nein!«
    Graciana fuhr herum und ging zu Pol de Pélage, der auf dem steifen Lehnstuhl saß, der vor dem Kaminfeuer stand. Er lehnte sich nicht an, so als sei er sich selbst nicht ganz sicher, ob er bleiben oder gehen sollte. Sie sank auf ein Kissen vor seinen Füßen und legte ihre Hände auf seine Fäuste, die verkrampft auf den Oberschenkeln ruhten.
    »Nein, Ihr wisst genau, dass das nicht der Fall ist!« Sie schenkte ihm ein zitterndes Lächeln. »Ich würde Gott auf Knien danken, wenn Ihr mein Vater wärt und nicht dieses Scheusal in Cado! Aber ich bin nicht die, für die Ihr mich haltet. Meine Mutter mag aus edlem Blute gewesen sein und Euren Vorstellungen einer Edeldame entsprochen haben. Ich bin es nicht!«
    Sie schloss gequält die Lider und rang nach Luft, ehe sie in äußerster Beherrschung weitersprach. Es hatte keinen Sinn, sich den Tatsachen zu entziehen. Wenn sie eines begriffen hatte, seit ihre Welt in Trümmer gefallen war, dann das, dass man mit Träumen nicht weiterkam!
    »Ich bin im besten Falle eine davongelaufene Novizin! Weder eine richtige Nonne noch ein normales Mädchen. Im nächsten Frühling zähle ich fünfundzwanzig Jahre, und ich weiß sehr wohl, dass ich nicht dem Bild einer wohlerzogenen Edeldame entspreche. Ich weiß nicht, wie man Laute spielt, und ich kann keine feinen Verse dichten. Ich weiß nicht einmal, in welcher Reihenfolge man die Einzelteile dieser kostbaren Roben anlegt!«
    Die Fäuste unter Gracianas Fingern lockerten sich, große Hände legten sich wärmend um ihre eisigen Finger.
    »Du bist Graciana de Cesson, das einzige kostbare Vermächtnis der Frau, die mir alles bedeutet hat«, sagte der Waffenmeister voller Güte. Er hob eine Hand und strich geradezu andächtig über den duftigen Schleier, der Gracianas Locken bedeckte. »Es ist mir nicht wichtig, was du kannst und wie viele Jahre du zählst! Es ist mir wichtig, dass du lebst und dass du bei mir bist!«
    Graciana sah hilflos zu Dame Lucile, die wie ihr eigenes Denkmal neben dem Alkoven stand. Wie sollte sie es ihnen sagen? Die beiden meinten es so gut mit ihr. Sie hatten die Wahrheit verdient, auch wenn sie damit das erste Aufflackern von Zuneigung und Freundschaft endgültig im Keim ersticken würde.
    Sie straffte die Schultern und hob in jener anrührend unnachahmlichen Geste das Kinn, wie sie es stets tat, wenn sie sich in einen aussichtslosen Kampf stürzte. Obwohl sie noch kniete, schien sie um eine gute Handbreit gewachsen zu sein.
    »Ich bin nicht länger allein«, sagte sie leise, aber unmissverständlich und

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