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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Augen des hinreißenden Racheengels und gab mit einer Geste allen anderen zu verstehen, dass er keine Unterbrechung wünschte. Weder von Pol de Pélage, noch von Kérven des Iles, der auf dem Sprung zu sein schien, sich einmal mehr zwischen seinen Lehnsherrn und Graciana zu werfen.
    »Sprecht, Dame!«, forderte er die junge Frau ruhig auf. »Ihr erhebt schwere Vorwürfe, also berichtet uns, was geschehen ist!«
    Graciana verschlang die Hände vor den grünen Samtfalten ihres Übergewandes, als könnte ihr dies Stärke geben. Sie senkte den Blick, während sie die Bilder des Entsetzens beschwor, das über Sainte Anne hereingebrochen war. Sie hatte nichts vergessen. Keinen Schrei, keinen Tropfen Blut und keinen Fluch.
    In allen erschreckenden Einzelheiten ließ sie den Untergang ihrer Welt vor diesen Männern entstehen. Die meisten von ihnen hatten unweit davon auf dem Schlachtfeld gekämpft. Mann gegen Mann in ritterlicher Ehre. Was in Sainte Anne geschehen war, hatte freilich nichts damit zu tun.
    »Er hat sie gefoltert«, endete Graciana tonlos. »Ich weiß nichts davon, ich war nicht dabei. Aber ich kannte Mutter Elissa mein Leben lang. Damit sie aussprach, was sie zu schweigen geschworen hatte, hat er ihr unvorstellbare Dinge angetan. Sie hat das Geheimnis des Klosters verraten, aber es war ohnehin längst zu spät ...«
    Bedrückendes Schweigen senkte sich über das Kabinett. Erst der Herzog stellte die Frage, die alle brennend interessierte.
    »Und wie ist es Euch gelungen, diesen Schurken zu entkommen?«
    Gracianas Lider flatterten. Ohne ihn gesehen zu haben, wusste sie, dass sich Kérven des Iles in diesem Raum befand. Sie spürte seine Anwesenheit mit allen Sinnen, und sie zwang sich, nicht zu ihm hinzuschauen. Sie liebte ihn mehr als ihr Leben, aber sie wusste, dass es keinen Weg gab, ihr Schicksal mit dem seinen zu verbinden. Sie hatte gelernt, dass Träume nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatten, und sie ließ keine Schwäche erkennen.
    »Es gelang mir, bei der Mühle von Auray zu fliehen, und ich fand den Schutz eines noblen Ritters, der mich vom Schlachtfeld fort und in Sicherheit brachte.« Ihre Stimme wurde leiser, blieb aber dennoch verständlich. »Er wusste nichts von meinem Schicksal, und ich war zu diesem Zeitpunkt nicht fähig, darüber zu sprechen.«
    »Weshalb seid Ihr nicht unter seiner Obhut geblieben?«, forschte der Herzog. Neugierig darauf, endlich die andere Hälfte einer Geschichte zu hören, die er bereits zu kennen glaubte.
    Graciana hob die Lider und schenkte ihm jenen intensiven goldenen Blick, der sie von allen anderen Frauen unterschied. Ein Blick, in dem sich Stolz und Trauer, Resignation und Tapferkeit mischten.
    »Ich bin die Tochter einer entehrten Edeldame und eines verabscheuungswürdigen Mordbrenners. Es steht mir nicht zu, Forderungen zu stellen. Ich habe keine Rechte, aber ich bin auch niemandem verpflichtet. Ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen, selbst wenn ich dadurch Wohltaten mit Undank vergelten würde.«
    Es war nicht unbedingt die Antwort, die der Herzog sich erhofft hatte, aber sie verriet ihm doch eine Menge über den Stolz dieser jungen Dame. Sie gehörte nicht zu jenen, die Zeit mit Jammern vertaten.
    »Bei Gott, das ist nicht wahr!«
    Der gequälte Aufschrei ließ Graciana zusammenfahren. Sie sah auf den Waffenmeister des Herzogs, der sie mit einem Ausdruck im Gesicht musterte, den sie nicht zu enträtseln vermochte. Weshalb reagierte er so merkwürdig? Er kannte sie doch gar nicht!
    Der grauhaarige Recke trat mit ein paar Schriften vor sie und fasste nach ihren Händen. Er blickte in das feine Gesicht und entdeckte das Abbild der Frau wieder, die er seit so vielen Jahren verloren geglaubt hatte.
    »Ihr mögt die flammenden Augen des Wolfs von Cado haben«, sagte er, »aber wie es aussieht, fliest kein Tropfen seiner Falschheit und seiner Machtgier in Eurem Blut! Ihr seid die Tochter einer liebenswürdigen, edlen und anbetungswürdigen jungen Frau, die das Schicksal unverdient hart behandelt hat. Erlaubt mir, dass ich mich als Euren Vater betrachte, denn Ihr hättet die Tochter sein sollen, die uns geschenkt worden wäre!«
    Der Herzog räusperte sich, um die Rührung zu verbergen, die diese flehentliche Bitte sogar bei ihm hervorrief. Graciana blickte in das kummervolle Gesicht des Waffenmeisters und hob die Hände, um zärtlich die Fingerspitzen an seine Wange zu legen.
    »Ihr habt sie geliebt ...«, flüsterte sie. »Ihr habt sie nicht

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