Graciana - Das Rätsel der Perle
zu einem Leben als Nonne zu zwingen. Aber ihre Informationen trugen nicht gerade dazu bei, seine Stimmung zu heben.
»So etwas Ähnliches habe ich befürchtet!«, meinte er mit einem tiefen Seufzer.
»Wenn Ihr die anderen vier Steine und das Kreuz haben wollt, müsst Ihr die Novizinnen von Sainte Anne suchen!«, riet Graciana. »Aber Ihr seid nicht der Einzige, der dies tut. Auch Paskal Cocherel wusste von dem Geheimnis, deswegen hat er Mutter Elissa und die übrigen Nonnen in seine Gewalt gebracht. Deswegen hat er mich von seinen Handlangern aus Lunaudaie entführen lassen ...«
»Ihr glaubt, die anderen Novizinnen sind mit ihrem Schatz entkommen?« Die Stimme des Herzogs schwankte zwischen unlogischer Hoffnung und gesundem Zweifel.
Graciana zuckte nur mit den Schultern, dann fügte sie hinzu. »Ich kann Euch ihre Namen nennen, aber ich weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Die letzten Stunden im Kloster waren zu chaotisch! Allerdings seid Ihr meinem schurkischen Vater einen Schritt voraus: Ihr besitzt wenigstens einen Teil des sagenhaften Kreuzes! Er würde seine schwarze Seele dafür verkaufen!«
»Soll das heißen, Ihr erhebt keinen Anspruch auf dieses Kleinod?«
Die Hand des Herzogs, die noch immer ausgestreckt vor Graciana schwebte, schloss sich besitzergreifend um die matt schimmernde Perle. Die junge Frau schätzte die Geste völlig richtig ein.
»Ich habe ebenso wenig ein Anrecht darauf, wie Mutter Elissa das Recht besaß, dieses Erbe unseres Volkes zu zerstören. Es wäre vielleicht das Symbol gewesen, das unser armes Land benötigt hätte, um endlich zum Frieden zu finden!«, erklärte sie ruhig.
»Vielleicht wollte die Äbtissin nur um jeden Preis verhindern, dass dieses Symbol einem Schurken wie Paskal Cocherel in die Hände fiel.« Der Herzog versuchte, sich in die Gedanken Mutter Elissas einzufühlen.
»Sie hasste ihn!« Graciana hob den goldenen Blick zu den Augen des Herzogs. »Und das mit vollem Recht! Er ist kein Mensch! Er ist ein Scheusal, das sich daran ergötzt, anderen Menschen weh zu tun! Von Machtgier zerfressen und darauf aus, alles unter seine Herrschaft zu bringen. So mächtig zu werden, dass alle die Knie vor ihm beugen müssen. Auf wessen Kosten er dieses Ziel erreicht, ist ihm egal!«
»Er will mir die Herzogkrone streitig machen.« Jean de Montfort, der seinen Rivalen gut kannte, nickte. »Nur der Wunsch, einen weiteren Kandidaten auszuschalten, hat ihn dazu bewogen, mir vor Auray beizustehen! Solange der König von Frankreich bloß zusieht und abwartet, wer am Ende gewinnt, hofft er auf seine Chance!«
»Ich bete zu Gott, dass er sie nicht bekommt!«, wisperte Graciana. »Was ist das für ein König, der sich nicht darum kümmert, was mit seinem Volk passiert?«
»Die Bretagne erkennt seine Oberhoheit an, aber der Herzog dieses Landes regiert als souveräner Herr, der niemandem Rechenschaft ablegen muss. Also ist es auch meine Aufgabe, für den Frieden in unserer Heimat zu sorgen«, erklärte Jean de Montfort Graciana, die davon keine Ahnung gehabt hatte.
»Dann tut es!«, forderte Graciana ebenso knapp wie eindringlich.
»Vertraut Ihr mir diese Perle an?«, fragte der Herzog, der die Konturen der glatten, warmen Kugel in seiner Hand spürte, als würde sie von innen heraus glühen. »Was wisst Ihr von meinem Ehrgeiz? Meinen Fehlern?«
»Kérven des Iles dient Euch, und er würde nie sein Haupt vor einem Herrn beugen, der dem Land schadet und seinen Respekt nicht verdient!«, antwortete Graciana.
Der Herzog spürte zu seinem Erstaunen, dass ihm bei dieser ruhigen Feststellung eine leichte Röte in die Wangen stieg.
»Ihr richtet Euch nach Kérvens Urteil, obwohl Ihr ihn hasst?«
»O nein!« Jetzt war es Graciana, die rot erglühte. »Wer hat behauptet, dass ich ihn hasse? Er hat mein Leben gerettet!«
»Er selbst denkt, dass Ihr ihn aus tiefster Seele verabscheut, weil er Euch keinen Glauben geschenkt hat«, entgegnete der Herzog und tastete sich vorsichtig an den Kern der Sache heran.
»Da habt Ihr ihn sicher falsch verstanden«, erwiderte Graciana traurig. »Ich bin es, die er verabscheut. Er hält mich für eine lügnerische Dirne, nicht würdig, an seiner Seite zu bleiben. Im besten Fall amüsant genug, sein Lager zu teilen, aber keinesfalls das Leben des edlen Grafen von Lunaudaie! Ganz davon zu schweigen, dass er nie und nimmer möchte, dass mein verfluchtes Blut in den Adern seiner Kinder fließt!«
»Er scheint keine Beleidigung ausgelassen zu haben,
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