Graciana - Das Rätsel der Perle
um dich zu zähmen«, seufzte der Herzog und schenkte Graciana ein mitfühlendes Lächeln.
»Ihr mögt es vergnüglich finden«, murmelte sie hörbar verärgert. »Aber Ihr seht mir hoffentlich nach, dass ich nicht mit Euch darüber lachen kann!«
»Dame Graciana!« Beruhigend legte er eine Hand auf ihre Schulter, und in seiner Stimme klang ehrliches Mitgefühl mit. »Ich wollte Euch nicht kränken. Mein Schmunzeln galt eher Kérven. Ich habe ihn noch nie so besessen von einer Frau gesehen, und ich muss gestehen, ein wenig gönne ich es ihm. Er ist zu verwöhnt, was die Schmeicheleien der Edeldamen betrifft, es tut ihm gut, dass Ihr es ihm mit den gleichen Waffen heimzahlt.«
Graciana weigerte sich, diese Bemerkung ernst zu nehmen. Sie konnte ihre Gefühle einfach nicht mit schönen Worten beschreiben. Sie sah auf ihre verschlungenen Hände hinab, doch auf einmal kamen ihr die Worte wie von selbst.
»Ich möchte ihm nichts heimzahlen. Ich bestreite nicht, dass er die Fähigkeit hat, mich außer Fassung zu bringen und mich Dinge sagen zu lassen, die ich nicht meine. Das sind dann Momente, in denen ich ihn hasse, aber sie gehen vorüber wie ein Sommergewitter. Was bleibt, ist nichts als ...« Sie brach ab.
»Nichts als Liebe und herzliche Zuneigung?«, vollendete Jean de Montfort leise den Satz.
Graciana stieß einen schmerzlichen Seufzer aus und hob den Blick zu ihm. »Wenn Ihr es wisst, warum reißt Ihr die Wunde dann wieder auf?«
»Weil ich eine Medizin weiß, sie zu heilen, Dame Graciana!«, entgegnete er sanft. »Ihr braucht einen Gemahl. Einen Ritter, der Euch und Euer Lehen schützt, der Euch die Schatten der Vergangenheit vergessen lässt und an der Hand in eine schönere Zukunft führt! Ich beabsichtige, Eure Hand Kérven des Iles zu geben!«
»Aber er will mich nicht!«, rief Graciana in aufflammendem Protest.
»Er will Euch so wenig wie ein Verdurstender einen Schluck Wasser, ein Verzweifelter Trost und ein Verirrter den richtigen Weg«, behauptete der Herzog.
»Ihr täuscht Euch!«, wisperte Graciana und fühlte ein verdächtiges Brennen in ihren Augen. »Wenn das wahr wäre, weshalb verweigert er mir dann das kleinste freundliche Wort? Er hat es kaum über sich gebracht, den Teller mit mir zu teilen! Er hat vor Wut darüber geschäumt.«
»Er schämt sich, Dame Graciana! Gesteht ihm zu, dass er ein Gewissen und erkannt hat, was er Euch antat. Er schäumt vor Wut über sich selbst. Er hält sich nicht für würdig, an Eurer Seite zu sein, weil ihm jede einzelne Beleidigung, die er Euch je zugefügt hat, wie Feuer auf der Seele brennt. Er will sich selbst dafür strafen, indem er seine Gefühle opfert. Habt Ihr noch nicht bemerkt, welches hohe Maß an persönlichem Ehrgefühl ihn antreibt? Er ist krank vor Liebe und Eifersucht und dennoch wild entschlossen, auf Euch zu verzichten, weil er annimmt, dass er Euch nicht verdient!«
Graciana starrte in das Gesicht des Herzogs. Sprach er die Wahrheit?
Er las den Zweifel in ihren Zügen und nickte ihr zu.
»Findet es selbst heraus! Ich werde ihn zu Euch schicken!«
Ehe Graciana dagegen protestieren konnte, hatte er das versteckte Gemach verlassen, und sie blieb allein. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie den Atem angehalten hatte, und sie stieß ihn heftig aus. Verwirrt legte sie die Handflächen auf ihre brennenden Wangen.
Was, wenn sie einfach davonlief? Vor der Konfrontation flüchtete, die sie ebenso fürchtete wie ersehnte? Ihre Vernunft riet ihr, genau das zu tun!
22. Kapitel
Man hat mir gesagt, Ihr ...«
Kérven des Iles brach ab und starrte die Gestalt neben dem Kamin an. Er hatte wahrhaftig genügend Zeit an diesem Tage gehabt, zu bewundern, wie wunderschön sie in diesen eleganten Kleidern war. Die Raffinesse, mit der die Farben den Alabasterton ihrer Haut unterstützten und den Glanz des weich schimmernden Lockengeriesels ihrer Haare.
Dennoch konnte er nun nichts anderes tun, als einmal mehr stehen zu bleiben und zu gaffen wie ein Jahrmarkts-Tölpel.
»Das muss ein Irrtum sein«, murmelte er nach einem Augenblick, der ihnen beiden wie eine Ewigkeit vorkam, und machte dann auf dem Absatz kehrt.
»Nein!«
Graciana reagierte ganz instinktiv. Sie raffte ihre Röcke und eilte zu ihm, ehe er die Tür wieder aufstoßen konnte. Sie legte ihre Finger auf eine seiner Hände und hinderte Kérven an jeder weiteren Bewegung.
»Geht nicht!«, sagte sie heiser.
»Lasst mich!«
Kérven sprach die Worte nicht ganz so akkurat aus wie sonst. Sein
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