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Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Titel: Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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schwarze Sänfte.
    Dem ›Grauen Kardinal‹ war plötzlich unwohl, ihn frö s telte. Hatte ›sie‹ die Macht im Castel übernommen, war der Richtblock für ihn schon vorbereitet? Sie konnte nur zu seiner Hinrichtung gekommen sein.
    Er straffte sich. Von ihm erwartete man Würde, auch in dieser Stunde. Oder war nicht doch noch er Herrscher über den tumu-lus des Hadrian?
    Zum Teufel mit der heroischen Geste – er wollte nicht sterben! Vorsichtig äugte er nochmals hinunter. Er sah w e der einen von ihrer Templereskorte noch den Henker, und seine Soldaten oben auf den Zinnen kümmerten sich um das, was auf dem Tiber vor sich ging.
    Dem Kardinal fiel ein, daß dicht hinter der Sänfte eine Wendeltreppe in die Mauer eingelassen war, die einst von den Zinnen in den Hof führte. Er hatte die Tür unten z u mauern lassen, damit keiner der Wachen sie als A b gang benutzte und ihn stören konnte. In halber Höhe der Treppe gab es einen verborgenen Zugang. So konnte er sich ihr nähern, ohne daß sie Zugriff auf ihn hätte.
    Er warf einen letzten Blick hinunter. Die Vorhänge der Sänfte waren geschlossen, nichts rührte sich, doch er wu ß te, ›sie‹ war drinnen und wartete. Warten war ein großer Teil ihrer unheimlichen Macht.
    Der Kardinal begab sich direkt aus seinem Ankleid e zimmer in die Gänge, die nur ihm gehörten – er war sich da wohl plötzlich nicht mehr ganz so sicher –, und zum er s tenmal bereitete ihm das Schleichen im Dunkeln einen G e schmack von der Furcht, die der Graue Kardinal sonst ve r breitete. Er betrat die Treppe, und scheußlicher G e stank schlug ihm entgegen. Er hatte nicht bedacht, daß die W a chen den nutzlosen Abgang zum nächstli eg enden Abort gemacht hatten. Er verfluchte sie und stieg über die E x kremente hinunter in die Tiefe, wo an Stelle der Tür ein Schlitz offengelassen war. Er hielt sich die Ma s ke vor – lieber hätte er sich die Nase zugehalten – und lehnte sich so weit raus wie möglich.
    Das schwarze Tuch bewegte sich. Die Gestalt in der Sänfte ließ ihn – was hatte er auch anderes erwartet – den Abakus kurz sehen, und dann hörte er ihre Stimme:
    »Rainer von Capoccio«, sagte sie vorwurfsvoll, »von dort, wo Ihr steht, weht ein schlimmer Duft! Ist Euch übel, daß Ihr mit mir von Eurer Latrine aus sprechen wollt – oder ist es, um mir zu zeigen, wie ich Euch einzuschätzen h a be?«
    »Ich rieche nichts!« entgegnete der Kardinal fest, »und ich ziehe vor, nicht gesehen zu werden!«
    »Nicht mit mir gesehen zu werden?«
    »Nein, weil es den, den Ihr jetzt sprecht, nicht sichtbar gibt –«
    »Ach«, höhnte sie, »lo spaventa passeri! Das graue G e spenst der Engelsburg? Und der ehrenwerte Herr von C a poccio? Ist der heute ausgeflogen, oder macht er sich in die Hosen, weil ein paar amalfitanische Seeräuber sich rudernd den Tiber hochquälen? Seid ohne Furcht, das Castel läßt sich nicht von außen erobern, nur von innen aufbrechen, wie das Messer dem Krebs unter die Schale fährt!«
    »Spottet nur, Ihr seid in meiner Hand! Ein Wort von mir, und die Bogenschützen werden von der Mauer jeden Ritter Eurer Eskorte mit Pfeilen durchbohren wie den he i ligen Sebastian, und Euer Kopf wird –«
    »Ihr irrt zweifach: Der Hydra wächst immer ein Haupt nach, und über Eurem Kopf stehen zwei meiner Leute b e reit, vom nächsten Katapult einen Topf griechischen Feuers zu reißen und es in das Loch zu schütten, in dem Ihr steckt! Ich hatte mir unser Gespräch anders vorgestellt, dieses Wiedersehen, das keines ist – nach so langer Zeit!«
    »Damals wußte ich noch nicht, wer Ihr seid – heute weiß ich es –«
    »Euer Wissen hat Euch nicht zur Vernunft gebracht.«
    »Wissen macht selten klüger, es verleiht nur Sicherheit: Ich weiß, wer Euch auf dem Totenbette –«
    Diesmal unterbrach sie ihn heftig. »Auch wenn Ihr es wüßtet, könntet Ihr nicht sprechen. Hättet Ihr gesprochen, wäret Ihr längst ein toter Mann!«
    »Dann laßt Tote zu Euch sprechen: Als König Philipp im Sterben lag, schickte der Dauphin eine Delegation nach Italien, um zu Ferrentino Zeuge der Versöhnung des Pap s tes Honorius mit Friedrich zu sein. Der Kaiser legte e i nes seiner unzähligen Kreuzzugsgelübde ab, und die Franzosen erneuerten das alte Bündnis des Hauses Capet mit den Staufern. An ihrer Spitze eine Dame aus höchstem und ä l testem Adel Frankreichs, Witwe in den besten Jahren. Sie reiste in einer schwarzen Sänfte an, Tempelritter eskortie r ten sie, und ihr Name und

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