Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
überlegte er, ob er sein Unte r nehmen besser ruhmlos abbrechen sollte, bevor er von Rom abgeschnitten würde, wenn auch anzunehmen war, daß der Bombarone nur sein Hab und Gut in Cortona s i chern wollte.
Die Kinder waren jedenfalls nicht bei ihm; zumindest hatten die Spitzel nichts dergleichen gemeldet. Natürlich wäre das möglich gewesen: Von Castel del Monte war es auch nur ein scharfer Zweitagesritt bis zur adriatischen Küste bei Andria; dort könnte der verräterische Elia sie aufgenommen haben. In dem Fall war er, Vitus, der Du m me, reingelegt wie ein tölpelhafter Bauer von den Trickb e trügern in der Stadt! Denn den Weg nach Cortona konnte er dem Bombarone jetzt nicht mehr abschneiden, abges e hen davon, daß in Umbrien keine Hand sich für den Päp s tl ic hen rühren würde. Im Gegenteil! Alles kaiserliche Ve r brecher und gottloses Gesindel!
Während Vitus noch mit sich haderte, hetzte ein blu t überströmter Bote heran, der die Farben der Capoccios trug: Rom überfallen! Pisaner hätten die verbliebene Flo t te im Hafen von Ostia in Brand gesetzt und machten jetzt Jagd die Küste aufwärts auf die restlichen Schiffe unter päpstlichem Banner! Normannische Seeräuber s e gelten den Tiber aufwärts und drängen vor bis zur E n gelsburg! Die Bevölkerung fliehe in Scharen aus der Stadt, die Kurie h a be sich im Castel Sant ’ An-gelo ve r schanzt!
Vitus bellte die Befehle zum Sammeln seines Heeres, während er sich vorstellte, wie der Kardinal, der in Abw e senheit des Papstes gern selbst zu Sankt Peter Messe hielt, gezwungen war, mit gerafftem Rock über die Bo r go in die Feste zu hasten. Die Stadt entblößt von Flotte und Heer, und das alles nur, weil er, Vitus, irgendwelchen Ketzer- oder Stauferkindern hinterherhechelte, wo doch dieser Ba s tard einer Fleischerin davon soviel zeugte, wie sein ve r schnittener Schwanz hergab.
Nein, so konnte er seinem Vater nicht unter die Augen treten. Jetzt mußte er die Entscheidung suchen; das abg e schlagene Haupt des Elia und die aufgespießten Kaiserbä l ger waren das mindeste, was er dem Kardinal zu F ü ßen legen würde, bevor er seinen nackten Rücken den Pei t schenhieben darbieten wollte, die er tausendfach ve r dient hatte.
Gerade wollte er den Befehl zum Aufbruch nach Norden geben, als ein weiterer Bote ihm die sofortige Rückkehr nach Rom befahl …
La Grande Maitresse
Castel Sant ’ Angelo, Herbst 1245
Herr Rainer von Capoccio, Kardinal-Diakon von Santa Maria in Cosmedin hatte Messe in Sankt Peter gehalten, ein Vorrecht, das er sich herausnahm, solange der Heilige Vater nicht intra muros weilte. Er erteilte noch den S e gen an einige Landsleute, die aus Viterbo gekommen waren, um ihm ihre Aufwartung zu machen, als er die ersten Schreie vor der Basilika hörte.
Er dachte sofort an Friedrich! Der Kaiser war über die Stadt hergefallen – oder sein wahnwitziger Bastard Enzo! Seine Würde außer acht lassend, begab er sich ziemlich hastig zu dem Einlaß in die Borgomauer, dem befestigten Fluchtkorridor der Päpste, der direkt zum Castel Sant ’ A n gelo führte. Seine Kardinalsrobe raffend, lief er hurtig den über die Dächer ragenden Gang entlang und wagte erst in Reichweite der schützenden Burg einen Blick aus einem der Schlitze zu werfen.
Schemenhaft sah er im Tiberbogen die Langboote der Seeräuber, Feuer und Rauch an den Ufern bis zum Ho s pital Santo Spiri-to. Viel Gegenwehr wurde ihnen nicht gelei s tet; sie kamen näher, und unter ihm liefen Fliehende schreiend durch die Straßen. Er verlor keine weitere Zeit, stürmte durch die Mappa Mundi hinauf auf den u n tersten Verteidigungsring, sah, daß die Katapulte schon geladen wurden und die Bogenschützen ihre Posten bezogen, so daß er seinen Schritt mäßigte und, etwas außer Atem – er war schließlich nicht mehr der Jüngste –, die steilen Tre p pen zu seinen privaten Räumen hinaufstieg.
Er entledigte sich seines Ornats, um es gegen die b e quemere anthrazitfarbene Soutane zu tauschen, vor der alle in Angst und Schrecken versanken. Auch das war b e quem! An und für sich durften die Wachen den oberen Maue r kranz nicht betreten; er haßte es, wenn da Soldaten standen und hinunter in den kleinen Patio starrten, in dem er sich – selten genug – müßig, meis t n achgrübelnd e r ging. Er sah mit Beruhigung, daß jetzt auch dort Bewaffnete aufgez o gen waren, doch dann fiel sein Blick in den Hof, ›seinen‹ Hof, den niemand betreten durfte!
Im Hof stand eine
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