Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
stieg ab, beugte zu meinem Erstaunen das Knie und empfing in dieser Ha l tung wohl die Erlaubnis oder Aufforderung zu berichten. Wir konnten alle, die wir vor dem Zelt standen oder zu Pferde saßen, wie der Sen e schall, nicht ein Wort von dem erhaschen, was dort geredet wurde.
»La Grande Maitresse!« nahm sich Monsignore Durand die Kühnheit heraus Hugues des Arcis zuzuflüstern. »So ist das eben: Wir beulen uns die Köpfe ein, und der O r den kassiert.«
Der Mann des Königs neigte sich vorsichtig herab: »Es ist noch viel einfacher, mein Lieber, es gibt weder Sieger noch Besiegte! Die Hand, die oben in der Festung das Schwert niederlegt, ist die gleiche, die es hier unten entg e gennimmt –«
»Und wir braven Kämpfer und klugen Strategen«, an t wortete ihm leise Durand, »die wir uns als Staffage h a ben herschicken lassen, wir haben uns eingebildet, für den wa h ren Glauben und die rechte Krone zu streiten – Narren, die wir sind!«
Er verstummte, denn der junge Templer lenkte sein Pferd auf unsere Gruppe zu, langsam gefolgt von Gavin, der noch ein letztes Wort mit dem geheimnisvollen Besuch gewechselt hatte. Dann hatte der Abakus hinter dem schwarzen Samtvorhang kurz zweimal geklopft, und die Träger nahmen die düstere Sänfte wieder auf. Kein Wa p pen, nicht einmal das rote Tatzenkreuz des Ordens zierte sie.
»Guillem de Gisors, Eminenz!« stellte sich der Ritter mit einem knappen Kopfnicken vor.
»Was habt Ihr dem Legaten des Heiligen Vaters zu s a gen?« ging ihn Pierre Amiel provozierend an; er zitterte vor Wut.
»Die Mitteilung lautet«, sagte der Junge mit heller Stimme, »pacta sunt servanda!« Er wartete keine Antwort des Erzbischofs ab, sondern gab seinem Pferd die Sporen, um zu dem abziehenden Trupp aufzuschließen.
Hugues des Arcis lächelte. »Bald ist die bewilligte Zeit um«, suchte er den versteinerten Legaten aufzurichten, de s sen Zähne knirschten, »noch zwei Tage –«
»- in denen Eure Wachsamkeit«, explodierte jetzt der Erzbischof, »um ein weiteres nachlassen wird!« Es war nicht Hohn, sondern ehrliche Sorge, die aus seinen Wo r ten sprach. »Was von dieser verschlagenen Brut der H ä resie, die weder die allerheilig-ste Jungfrau noch Gesetz noch gegebene Worte anerkennt, dazu benutzt werden könnte, sich der gerechten Strafe durch Flucht zu entzi e hen!«
Hugues des Arcis war nicht nur des zermürbenden Kri e ges leid, sondern auch der Querelen mit diesem rachsücht i gen Vertreter der Kurie. »Die Besatzung hat freien A b zug, und – so wie ich diese Katharer einschätze, wird keiner vor Eurem höchsten Gericht davonlaufen, selbst in der Gewi ß heit, daß Ihr keine Gnade kennt – noch Bar m herzigkeit!« Der alte Haudegen verbarg sein Unbehagen nicht. »Ihr werdet genug warme, zuckende Leiber für Euer Autodafé zusammenbekommen, Eminenz! Männer, noch mehr Fra u en, alte, junge, Greise und Kinder!«
Er wandte sich ab, grüßte knapp den Präzeptor und den Bischof von Albi, Pierre Amiel ließ er abrupt stehen. Di e ser suchte mit einladender Geste den Bischof auf seine Se i te zu ziehen, doch Monsignore Durand war zu G a vin auf einen Felsblock gestiegen und ignorierte diesen kläglichen Ve r such ekklesialer Kumpanei. Der Erzbischof zog bele i digt ab.
»Ist man höchsten Ortes zufriedengestellt?« wandte sich Durand behutsam an den Ordensritter.
»Eine Rettung fragt nicht nach Frieden, sie muß sich damit begnügen, das zu Rettende in Sicherheit zu bringen.«
»Wo ist noch Sicherheit«, gab der Bischof leise zu b e denken, »nachdem der ›mont ségur‹ keine mehr bieten kann -?«
»Der Munsalvaetsch bleibt auf ewig der Hort des rette n den Heils«, sagte Gavin gedankenverloren, »der Tröster …«
»Ich denke, mit Verlaub«, Durand blieb seinen pragm a tischen Grundsätzen treu, »es ist das Heil, das es jetzt zu retten gilt?«
»Daran ist gedacht.« Gavin Montbard de Bethune, Pr ä zeptor des Ordens der Templer, in seinem weißen U m hang mit dem blutrot leuchtenden Tatzenkreuz, starrte unbewe g lich hinauf zum Montségur, über den inzw i schen ebenfalls das Dunkel hereingebrochen war.
Die letzte Nacht
Montségur, Frühjahr 1244
Bis Mitternacht waren es nur noch wenige Stunden, dann war Äquinox! Die parfaits, die sich der Beobachtung der Himmelskonstellationen gewidmet hatten – trotz der B e schießung und weitgehenden Zerstörung ihrer astronom i schen Geräte –, verließen über die schmale, steile Stei n treppe das Observatorium. Im
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