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Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Titel: Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Daten und nicht selten mit dem Zusatz ›O. F. M.‹ und verzweife l ten Ausrufen, letzten Botschaften, wie: ›Der Herr möge sich meiner Seele erbarmen!‹, ›In deine Hä n de befehl ich meinen Geist‹, ›Maria, bitte für mich armen Sünder!‹, oder einfach nur: ›I N P + F + SS‹ oder schlicht ›INRI‹. Eine Todeskammer, welche von den Unglückl i chen, die ihre Not oft einzig mit Fingernägeln in den Putz gekratzt, nur ve r lassen werden durfte, um zur Hinric h tung zu schreiten!
    Mir blieb nicht viel Zeit, sie alle zu studieren, denn es drängten jetzt mehr und mehr Frauen des Ortes in den Ki r chenraum. Sie knieten auf dem nackten Steinfußb o den und sangen in ihrem von Latinesken durchsetzten Saratz-Dialekt eine auf und ab schwellende Weise, die mich wie eine Totenklage andeuchte. Ihre Gesichter hatten sie hinter Tüchern verborgen, aber ich spürte, es waren alles alte Weiber. Ich drängte meine Trauer und die Schwermut z u rück, die wie lähmend von mir Besitz ergriffen, an diesem Ort des Todes, und trat b e bend vor sie hin.
    »Der Friede des Herrn sei mit euch? – Erwartet das nicht von Gott, dem Gerechten! Sein Zorn wird über euch ko m men! Der Sohn, euch gegeben zur Versöhnung, wurde hinweggeführt von den Häschern und ans Kreuz geschl a gen – ihr aber habt eure Stimmen nicht erhoben. Ihr hockt da und heult und fleht, statt den Söldnern des I m perators in den Arm zu fallen und zu schreien: Du sollst nicht töten!«
    Die verhüllten Gestalten hatten bei meinen ersten lauten Worten ihr monotones Lamento unterbrochen und mich schweigend, ja feindlich kalt angestarrt, doch dann duc k ten sie sich wie unter Peitschenhieben.
    »Jesus Christus ist nicht in euer von Gott verlassenes Tal gekommen, um sich abermals für dreißig Silberlinge verr a ten zu lassen, sondern um eure Schuld auf sich zu ne h men. Und eure Schuld ist groß, und sie wird größer mit jedem Diener Gottes, an den ihr, durch eure Söhne, Hand legt – denn so spricht der Herr: Mein ist die Rache! Ihr habt Sü n de aufgetürmt auf eure Seelen, höher und schw e rer als die Berge, die euch umgeben. Kehrt um, tuet Buße – oder der Herr wird euch verdammen! Per omnia saecula saecul o rum. Amen!«
    Ich stürzte aus der Kirche, rannte hinunter bis zur Punt, schob wütend die Wachen beiseite, die mir willig Platz machten, und stürmte in den Wald hinein, bis die ersten Bäume mich vor den Blicken der sicher verdutzten Wäc h ter verbargen. Dann erst verschnaufte ich und ließ kühle Umsicht über meinen ohnmächtigen Zorn gewinnen. Vo r sichtig verließ ich den ausgetretenen Pfad, der zu den Seen führte, und suchte mir einen Weg durch Unterholz und ti e fen Schnee, der mich zur Spur der Saratz führen sollte, die den Gefangenen eskortiert hatten.
    Meine Hoffnung, ihn noch lebend anzutreffen, war g e ring und schwand mit jedem Schritt, den ich durch das hü f thohe, unberührte winterliche Weiß stapfte und irrte. Doch den Anblick, der sich dann vor mir auftat, hatte ich nicht erwartet.
    Ich stand am Rande einer Lichtung, und an den ausl a denden Ästen der dunklen Tannen hingen wie übergroße, längliche Zapfen die Körper von mindestens einem Du t zend Franziskaner. Sie baumelten nicht, denn kein Win d zug streifte diesen Ort, sie klirrten nur leise; denn die mei s ten waren verwittert und von einer Eisschicht übe r zogen. Der dunkelste, auf dessen Kutte sich frische Schneeflecken noch deutlich abhoben, muß wohl das letzte Opfer gewesen sein, der Minorit mit dem Esel. Ich wagte ihm nicht ins Gesicht zu schauen, sondern schlug hastig mein Kreuz und brach mir den Weg zurück, nur fort von diesem schaurigen Ort, in den kein Sonnenstrahl fiel.
    Nicht weit entfernt hörte ich die Wasser in der Schlucht tosen. Ich stolperte, fiel, wankte durch den Wald, bis ich durch das Schwarz der Stämme Helle schimmern sah und die Bäume sich lichteten. Auf einer leicht ansteigenden Almwiese, die durch ein glückliches Zusammenspiel von Wind und Sonne sich fast schneefrei darbot, kamen mir mit Gebimmel Bergziegen entgegen, die dort mit me c kerndem Vergnügen die herausstehenden Gräser und Kräuter abwe i deten. Und oben am Hang, wo die Schneefläche nicht au f gerissen war, tummelten sich die Mä d chen.
    Die wilden Hirtinnen vergnügten sich auf ihren Schne e schuhen; sie glitten miteinander im Zweikampf in wunde r vollen Bögen hinab, nutzten die geringste Bodenerh e bung für unerwartete Richtungsänderungen oder ließen sich in die

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