Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
dürfen den Zug der Zeit nicht an sich vorbe i ziehen lassen!«
»Dann öffnet euch, statt Schrecken zu verbreiten! Nehmt civi-tas an, statt wie Barbaren zu hausen!«
»Man würde uns, die Fremden, die Nicht-Christen, schnell unterwerfen, dann unterdrücken und schließlich vertreiben. Mit der Toleranz ist es bei euch Christen nicht weit her!«
»Mit der Zivilisation auch nicht, Xaver«, mußte ich l a chen. »Es gibt eigentlich wenig, worauf wir uns etwas ei n bilden können, und das haben wir meist aus den Lä n dern deiner Vorfahren importiert. Doch es bleibt euer Problem, daß ihr im christlichen Abendland ein Frem d körper seid, wie unsere Kreuzfahrerstaaten Stachel im Fleische des I s lam bleiben –«
»- oder nicht bleiben«, sagte Xaver nachdenklich. »Wer weiß, welches Schicksal den Saratz blüht, wenn die wei t sichtige und großzügige Herrschaft des Staufers einmal zu Ende geht, wenn ein eiferndes Rom obsiegt – dann sind auch die Tage der Saratz hier gezählt –«
»Oder ihr macht beizeiten vergessen, wo ihr herkommt, wo eure Wurzeln liegen. Säubert die Kirche, begrabt die Gerichteten, zwingt den nächsten Minoriten, den ihr a b fangt, euch Männer das Evangelium zu lehren, lernt L a tein, und lernt beten!«
»Da siehst du, William, wie sehr wir dich brauchen!«
»Ich bin ein Wanderer, Xaver – nicht dazu bestimmt, i r gendwo Wurzeln zu schlagen. Meinen Rat schenk ich dir, als geringes Entgelt für die Gastfreundschaft, die mir dein Haus g e währt – und jetzt hab ’ ich Hunger!«
»Zaroth hat uns eingeladen zum Wildpret. Seine Frau liegt ihm seit deinen aufrüttelnden Worten mit ihrer ne u en Hinwendung zu Christus in den Ohren, und den Br a ten hat unser Firouz geschossen. Alles dir zu Ehren!«
Ich ließ den Mann, den ich gerngewonnen hatte ob se i ner Lauterkeit, im Glauben an die rechte Interpretation meiner Worte durch des Ältesten Weib und an das dri n gende Bedürfnis des Firouz, mir Gutes zu tun, und wir b e gaben uns eilends zum Haus des Podestà.
Alle warteten auf uns, was sie nicht gehindert hatte, dem Wein schon kräftig zuzusprechen.
»Wir heißen Euch willkommen, William von Roebruk. Dies ist der Beschluß der Grauen Räte: Wünscht Ihr Euch ein Haus, die Saratz geben es Euch gerne, wählt eine Toc h ter aus unserer Mitte, sie sei die Eure –«
Zaroth unterbrach seine Rede, von eigener Rührung übermannt; auch hatte er schon stark getrunken. Er hob se i nen Pokal und trank mir zu, eine Geste, der alle gern nachkamen – mit Ausnahme von Firouz, was mir nicht verborgen blieb.
»Ehrwüriger Zaroth«, sah ich mich genötigt zu replizi e ren, »wenn ich das Haus frei wählen darf –«
»So sei es!« sprach der Älteste feierlich.
»– dann bitte ich um die Kirche!« Allgemeines, doch achtungsvolles Geraune. »Jedoch«, fuhr ich fort, »wenn Ihr mich als Prediger haben wollt, mögen sich das die Grauen Räte gründlich überlegen; denn die Saratz bra u chen keinen willfährigen Liturgisten für ihre Ehefrauen, sondern einen Mann Gottes, der Männern den Weg weist –« Ich ließ i h nen wenig Zeit über diese Bedrohung ihrer traditionellen Lebensart nachzudenken. »Auch ich muß mir Euer Ang e bot überlegen; denn dem Priester untersagt unsere Ecclesia catolica, sich ein Weib zu nehmen –«
»Für dich gründen wir eine eigene Kirche nach eigenem Ritus!« warf Xaver vorlaut ein, wurde aber beifällig, ja mit Gelächter aufgenommen, und Zaroth fing den Ball auf: »Auch der Prophet hatte eine, ja, mehrere Frauen, William – daran soll ’ s also nicht scheitern!«
Das Eintreten Xavers für mich hatte im sonstig heiteren Besäufnis einen alarmiert auf den Platz gerufen: Firouz! Er drängte sich ungestüm vor, so daß er zwischen den Älte s ten und meinen Gastgeber zu stehen kam. »Vergeßt nicht, Xaver, daß Eure Tochter mir versprochen ist!«
Einige lachten, verstummten aber schnell, um des Vaters Antwort zu hören. »Ihr freit um sie, Firouz«, sagte Xaver bedächtig, »doch eine freie Jüngste ist auch so frei, sich den Mann zu erwählen, den sie will!«
»Sie ist keine Jüngste!« schnaubte Firouz. »Sie hat sich meiner Werbung zu fügen!«
»Rüesch-Savoign ist Alvas einzige Tochter«, wandte sich Xaver an den Ältesten, der – schon vom Wein ben e belt – lang überlegen mußte. »Wenn sie die einzige ist, dann ist sie auch die Jüngste«, brachte er mit schwerer Zunge heraus. »Aber auch die Älteste.«
»Also ist sie mein!« brüllte
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