Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
j e doch hier mit leeren Händen vor Euch stehe –«
»Ihr sitzt bequem und eßt mit mir!«
»- hab ’ ich sie wohl verloren …«
»Oder Ihr hattet sie gar nicht bei Euch?« kam lauernd die Frage, und ich überzog:
»Traut Ihr Eurem eigenen Augenschein nicht mehr, V i tus?«
Er trat den Tisch zwischen uns um, daß Teller und Spe i sen auf den Estrich fielen.
»Genug!« schnaubte er. »Genug gegessen, genug des Spiels, genug der Frechheiten! Ich will Euch sagen, wo sie sind: Sie haben Otranto nie verlassen! Wo immer Ihr Euch herumgetrieben haben mögt, in Konstantinopel ist uns der Sohn der Gräfin ins Netz gegangen – ohne Kinder! Sie h a ben sich nicht in Luft aufgelöst, Ihr habt uns nur ein Jahr zum Narren gehalten! In Byzanz haben die Wände Ohren, wir brauchten den jungen Hamo nicht einmal foltern oder ihm drohen, ein wenig Cannabis g e nügte, ihn zum Reden zu bringen …«
Er lehnte sich zufrieden zurück und betrachtete mich wie ein großer schwarzer Kater eine kleine Feldmaus, die ihr Loch nicht findet. Also raffte ich mich zum letzten Wide r stand auf, wozu brauchte er mich noch, wenn er eh alles wußte?
»Wenn Hamo noch lebt, dann will ich dem Schöpfer danken! Alle anderen sind umgekommen, nur ich habe mich retten können! Für mich gibt es die Kinder nicht mehr!«
»Das könnte dir so passen, aber es sind längst nicht alle tot, obgleich sie es sich wünschen sollten – und schon gar nicht die Kinder!« Er dachte nach. »Dein Wiederaufta u chen, William, kommt dem Geständnis gleich, das du t ö richterweise verweigert hast. Ich brauche dich tatsäc h lich nicht mehr. Ich lasse dich an einem sicheren Ort einke r kern, so lange, wie es mir gefällt, und vor allem, bis ich mein Ziel erreicht habe. Ob ich dich vor deinem Tode qu ä le, dich Stück für Stück sterben lasse – was du dir ja reic h lich verdient hast – oder ob ich dich kurzerhand e r würge, mit eigenen Händen, das hängt nicht mehr von dir, sondern von meiner Laune ab. Wünsch dir eine gute Laune und letzteres Angebot!«
»Dann will ich meinen Frieden mit meinem Herrn m a chen«, murmelte ich gottergeben und faltete die Hände zum Gebet.
»Frieden mit Gott!« schnarrte Vitus. »Dein Herr bin immer noch ich! Und so höre auch, wie all euer Unterfa n gen, diese Ketzerbrut zu retten, nun scheitert.« Er schnaufte vor Selbstzufriedenheit, und ich war ganz Ohr.
»Gilt Otranto nicht«, hub er an, sich schon am Vorg e schmack meines zunehmenden Entsetzens weidend, »von Wasser wie zu Land als uneinnehmbar?« Er gab sich die Antwort selber. »O ja – mit Recht ist der Staufer stolz auf diese Burg, und auf die Treue der Gräfin kann er bauen! Der Feind könnte ihr eigen Fleisch und Blut, ihren einz i gen Sohn anschleppen und sein Haupt vor ihren Augen a b schlagen, Laurence de Belgrave übergäbe die Schlüssel nicht!«
Vitus legte eine Pause ein, um sich der Wirkung seiner Gedanken zu vergewissern. Nicht übel – und so sicher war ich mir nicht, was ihr Verhältnis zu Hamo anbelangte. W ä ren die fremden Kinder ihr näher? Ich ließ mir nichts a n merken.
»Doch«, fuhr er ruhig fort, was mich aufhorchen ließ, »wenn ein Freund käme, ein Vertrauter des Kaisers, ihr an Treue zu diesem und zu diesen Bastarden königlichen Bluts gleich und ebenbürtig? Sie würde die Tore öffnen, wie eine alte Hure die Beine breit macht, und wenn de s sen mitgebrachtes Heer noch so groß und stattlich wäre! Immer nur hereingestürmt in dieses eklig stinkende Loch dieser verlebten Vettel! Und so fällt Otranto wie eine reife, wie eine faule Frucht!«
»Ihr habt wenig Sympathien für die Gräfin?« bemerkte ich vorwurfsvoll, komplizenhaft lächelnd. »Und wer soll der stattliche Freier sein, den Laurence de Belgrave, die sich aus Männern nichts macht, so mir nichts, dir nichts in ihre Festung einlassen wird?«
Er ließ die Katze aus dem Sack. »Elia von Cortona hat seinen Frieden mit der Kirche gemacht. Der Sünder hat um Vergebung geheischt. Der Heilige Vater in seiner unendl i chen Güte hat sie dem Reuigen in Aussicht g e stellt, doch als geringe Buße wird er mit einem ausg e suchten Trupp päpstlicher Elitesoldaten – Söldner natürlich, und als Schwaben verkleidet – Otranto ›verstärken‹ gegen einen Überfall von außen. Die Gräfin wird ihm das Kommando übertragen. Unsere Flotte legt im Hafen an, überwältigt die Besatzung der Triëre, die Elia nicht in Alarm versetzt hat, wir übernehmen die Kinder, derer sich der Freund
Weitere Kostenlose Bücher