Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
verlangt!
Ascelin begab sich zum Kapitän des Schiffes, einem Genuesen, den die Kurie für diese Mission angeheuert ha t te, wie auch das zweite Boot, das ihnen im dichten Abstand folgte, ein genues is ches war. Sie fuhren aus begreiflichen Gründen, ohne die Flaggen der Republik oder des Kirche n staates zu zeigen.
»Euer Lieblingsruderer will mit Euch reden«, sagte er leise; er wußte, wie schlecht der Kapitän auf Vitus zu spr e chen war. Wenn er, Ascelin, es auch auf seine Schu l tern genommen hatte, war dem Mann doch klar, wem man die Hetzfahrt hier in den Süden Apuliens, die ganze Nacht hi n durch, zu verdanken hatte.
»Hat er immer noch nicht genug Prügel eingesteckt?« höhnte der geplagte Genuese und folgte widerwillig se i nem hohen Gast, der sich eine Antwort ersparte. Man konnte nie wissen, wie sich die Dinge entwickelten; V i tus war das beste Beispiel für Aufstieg, Hochmut, Leich t sinn und Fall. Ihm, Ascelin, sollte dergleichen nicht pa s sieren, er hielt sich bedeckt – nach allen Seiten! Deswegen auch das ›off i zielle‹ Gespräch zwischen Häftling und Kommandanten.
»Gleich erreichen wir Otranto!« Vitus bemühte sich r u dernd seine Beherrschung zu wahren. »Laßt mich frei – auf Ehrenwort!«
»Nein«, sagte der Kapitän, »und wir nehmen einen we i teren Umweg auch nicht auf uns –«
»Der Herr Legat kann es Euch befehlen!« Vitus keuchte vor Wut.
»Mein Befehl lautet, den Herrn Legaten nach Syrien zu bringen, damit er von dort aus auf dem Landweg nach Tä b riz zu den Mongolen reist – und Euch, Vitus von V i terbo weder auf der Hinnoch auf der Rückfahrt, auch in keinem Hafen und unter keinen Umständen, freizula s sen.«
»Dann bringt mich in Ketten nach Otranto!« änderte V i tus seine Taktik »Wozu?« entgegnete der Genuese überl e gen. »Erstens ist die Triëre schon längst auf und davon – wäre sie es nicht, würde sich auch nicht viel ändern. Das Kastell ist schon wegen seiner weitreichenden Kat a pulte unangreifbar!«
Vitus gab immer noch nicht auf. »Wir könnten auf dem Meer auf sie warten, – oder fürchtet Ihr die ›Triëre des Admirals‹?«
Der Kapitän ließ sich auch durch diesen Hohn nicht pr o vozieren. »Worauf sollen wir warten? Kommen wir der Küste zu nahe, erkennen sie uns – bleiben wir zu weit auf See, können sie uns jede Nacht entkommen!«
»Schiff in Sicht!« rief die Knabenstimme des Ausgucks. Um das Kap bog ein Schnellsegler; er hielt mutig auf die beiden Schiffe zu und hißte gleichzeitig die Fahne.
»Ein Pisaner!« Der genuesische Kapitän sprühte vor Angriffslust. »Setzt Segel und zeigt Farbe!« brüllte er. »Was der kann, vermögen wir auch!«
So stieg das Banner Genuas zusammen mit den Schlü s seln des Patimonium Petri empor, zum Zeichen, daß ein Legat an Bord war. Doch der Pisaner antwortete mit Gle i chem.
»Unverschämter!« wetterte der Kapitän. »Diesen Trug sollst du mir büßen!«, und die beiden Genuesen beeilten sich, den Entgegenkommenden in die Zange zu nehmen. »Wenn du keinen Pfaff mit Brief und Siegel unseres He r ren Papstes vorweisen kannst, dann schicken wir dich den Fischen Petri zum Fraß!« schwor er dem Pisaner, der furchtlos auf die Päpstlichen zuhielt.
Ascelin nickte einvernehmlich; der trügerische G e brauch der päpstlichen Insignien war zu strafen, und woher sollte wohl ein legatus Papae seinen Fuß auf die Planken eines kaiserlichen Schiffes setzen! So rauschten sie eina n der entgegen.
»Soll ich ausweichen?« fragte der pisanische Kapitän den neben ihm stehenden Lorenz von Orta. »Sie sind zu schwerfällig und zu langsam, um uns zu folgen!«
»Nein«, sagte der Franziskaner. »Wir müssen sie ein klein wenig aufhalten, bis die Triëre gewißlich außer Sich t weite ist!« Ganz wohl war es Lorenz aber nicht zum u te.
»Wenn sie uns beidseitig entern, haben wir keine Cha n cen mehr!« beschwor ihn der Kapitän. »Laßt uns ihnen ein Schnippchen schlagen!«
Er riß das Steuer herum; das Schiff bäumte sich auf – einen Moment konnte man meinen, es wolle die Flucht e r greifen. Die Genuesen gingen deshalb beide voll in die R u der, doch der Pisaner wendete blitzschnell in den Wind und schoß direkt auf das Flaggschiff der Genuesen zu.
»Ruder hoch«, brüllte der genuesische Kapitän, doch auf dem Schwesterschiff waren sie zu langsam. Der Pisaner glitt in voller Fahrt zwischen ihnen hindurch, und das Br e chen von vielen Ruderblättern war deutlich zu hören. Die hilflosen Stümpfe
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