Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
ritterlichen Geblüts. Sie standen im guten Sold der Gräfin und waren an Pr i sen und Beute beteiligt, genau wie die schwäbischen Katapulteure, die katalan i schen Armbrustiers und die gri e chischen Bootsmänner, wahre Meister unter dem Segel. Dazu kamen die wilden moriskos , in deren Adern maurisches Blut rollte, die im Entern zum Kampf Mann gegen Mann ausgebildet waren.
Alles in allem verfügte Laurence mit ihrer vollbeman n ten Triëre über mehr denn zweihundert wehrkräftige Arme und das Holzbein ihres Kapitäns. Der Stumpen trug Gui s card mehr Respekt ein als alle Narben, und die Mannschaft verehrte es wie eine Reliquie – am liebsten hätte sie den Bocksfuß vorn an den Rammdorn genagelt oder wie die Flagge von Otranto hoch oben am Haup t mast gehißt.
Der Gefechtsstand am Heck trug die schießschartenb e wehrte cabana der Gräfin, durch ein baldachinartiges Zel t tuch zur überdeckten Terrasse erweitert, wenn gerade kein Feind zu erwarten war. Die Bootsmänner zurrten gerade noch die Seile fest, legten den Boden mit Tepp i chen aus, und Laurence lagerte sich auf ihren bereitg e stellten Diwan. Sie winkte mich zu sich.
»William«, sagte sie matt mit seltenem Sanftmut, »setz dich zu mir!« Die Aufregungen der letzten Tage hatten sie doch mehr mitgenommen, als sie sich zugeben moc h te – immerhin war sie nicht mehr ganz die Jüngste. »Du gehörst ja fast schon zur Familie. Die Kinder lieben dich – übr i gens, was treiben sie?«
Ich schaute hinüber zum Bug, was ihr ihre zunehmende Kurzsichtigkeit nicht mehr vergönnte. Yeza war am Vo r mast angebunden und diente Roç als Zielscheibe. Zu me i ner Beruhigung sah ich, daß Guiscard ihm beibrachte, den Bogen richtig zu halten.
»Sie spielen mit dem Amalfitaner«, antwortete ich leichthin, obgleich mir der Atem stehenblieb, als ich den Pfeil fliegen und unter Yezas Achselhöhle zitternd im Holz steckenbleiben sah. »Sie lassen sich das Manövri e ren eines Schiffes erklären«, log ich mit unbeteiligter Stimme.
»Die Triëre ist kein Schiff wie die anderen«, sagte ve r sonnen Laurence, »sie ist ein Tier, ein Fabelwesen aus e i ner anderen Welt. Als ich sie zum erstenmal auf mich zur a sen sah, dachte ich, der gischtige Schlund der Hölle habe sich mitten auf dem Meere aufgetan, um mich und meinen Kahn zu ve r schlingen, zu zermalmen. Ich war vogelfrei, hatte Aufbri n gung und kurzen Prozeß zu gewärtigen und hatte mich nichtsdestotrotz zu weit die Adria hinaufgewagt, um me i nen Halbbruder zu bergen, worum mich Freund Turnbull gebeten hatte. Er kam nicht; die Päpstlichen ha t ten meinen törichten dicken Bischof umgebracht, bevor er sich zur Küste aufraffte. Ich wartete, kreuzend, zu lange – so schoß die Muräne aus ihrem Felsenloch, woh l feile Beute witternd – in des Wortes wahrster Bedeutung, denn ich ha t te nur übles Korsarenpack an Bord und vor allem – Mä d chen!«
»Wie – Ihr handeltet mit Mädchen?«
»Nein, mit Männern!« Laurence lächelte grimmig. »Ich war keine unbekannte Piratin, für Geld jedermann zu Diensten. Daher in kaiserlicher Reichsacht und vom Gra u en Kardinal als falsche Äbtissin und Ketzerin auf die g e heime Liste der Inquisition gesetzt, was schlimmer ist als jede Exkommunikation. Und jetzt war ich in den Fängen von Friedrichs Admiral, Enrico Pescatore, denn die Triëre war sein Flaggschiff. Ich sah uns schon, mich an der Spi t ze, in die Rahen meines armseligen Seglers gehenkt. Ich verbot jedwelche Gegenwehr, in der absu r den Hoffnung, wenigstens die Hälse meiner Mädchen vor der Schlinge retten zu können. Der Admiral, ein alter Haudegen und für seine Rigorosität berüchtigt, kam an Bord, schritt mit bla n ker Waffe auf mich zu – und stürzte wie vom Donnerwetter gerührt zu Boden. Er kniete vor mir und bat um meine Hand …«
Die Gräfin war bei ihrer Erzählung in Fahrt gekommen, Funken sprühten in ihren grauen Augen; das war wohl die alte Lau-rence, von deren männerbetörenden Reizen und Grausamkeit man mir gemunkelt hatte.
»Nun – wie du schon gehört haben wirst, wenn ’ s auch nicht für eines Minoriten Ohren bestimmt sein mag« – sie lächelte mir maliziös zu, sich an meiner Verlegenheit we i dend – »mach ’ ich mir ja nichts aus Männern.« Ich nickte ergeben, damit sie for tf ahren konnte. »Angesichts des e r höhten Ausblicks vom Mast aufs Meer samt einem Strick als Halsgeschmeide währte mein Zögern nur die gebührl i che Länge. Doch kaum meines Sieges sicher, ritt
Weitere Kostenlose Bücher