Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
perte.
»Langsam!« keuchte Vitus. »Da vorne liegt die Triëre. Seht Ihr den Gnom mit dem Holzbein?« zischte er haße r füllt. »Das ist Guiscard der Amalfitaner, Steuermann der Äbtissin!« Und sie sahen Clarion umgeben von ihren No n nen, die zum Mittagsgebet niedergekniet waren. Von den Kindern keine Spur.
So zerrten sie Vitus weiter, bevor jemand seiner st e chenden Blicke gewahr werden konnte, mit denen er die Bootsplanken am liebsten durchbohrt hätte – in Brand g e setzt, zertrümmert und versenkt, die Triëre der Teuf e lin! Sie war flankiert von einer streng bewachten Galeere der Templer, die den Stander eines Präzeptors gehißt hatte. Von plötzlichem Argwohn gepackt, fragte Simon die W a che nach Namen, Herkunft und Ziel. Die Antwort war bü n dig: »Gavin, Graf Montbard de Bethune, nebst fünfzehn Rittern im Dienst des Ordens!«
Um kein Aufsehen zu erregen, schlenderten sie schnell weiter, achteten nicht der beiden arabischen Händler, die ihre Ware, Schmuck und seltene Essenzen in kostbaren Kristallamphoren vor sich ausgebreitet hatten. Sie saßen auf einem Teppich , tranken ihren Tee und ließen die Schi f fe vor sich nicht aus den Augen.
Neben dem roten Tatzenkreuz wehten das schwarze Kreuz der Deutschen und die grüne Fahne des Propheten einträchtig am Mast eines gedrungenen Rammschoners. Die Mannschaft bestand aus Ägyptern, und trotz aller M ü he, die sie sich gaben, mehr als »Botschafter des Su l tans« war nicht zu verstehen. Den Mund schloß ihnen auch nicht ihr eigener Kapitän, sondern ein Ritter vom Hospital, der sie mit arabischen Schimpfworten zurück an Bord jagte.
Die prächtige Geleere des Großmeisters der Johanniter hielt Abstand von allen anderen und war nur mit Ruderbo o ten erreichbar. Von den Fährleuten erfuhr Simon dann auch bereitwilligst, daß dessen Stellvertreter, Jean de Ronnay, beim Kaiser Balduin zu Besuch sei.
Das Auftauchen kaiserlicher Polizei beendete die ne u gierigen Fragen des Mönches. Er gab den Soldaten einen Wink, Vitus fortzuschaffen. Doch gerade das erregte den Verdacht der Polizisten. Sie versperrten den Weg.
»Weist Euch aus, Fremder!« Bevor Simon die Situation klären konnte, ertönte eine Stimme hinter ihnen:
»Ich kenne diesen Herrn!« Yves der Bretone, begleitet von einer Abteilung Soldaten im Tuch des französischen Königs mit dem Wimpel seines Gesandten Joinville, den jeder im Hafen kannte, war dazwischen getreten, und die Polizisten salutierten und gingen ihres Weges.
»Ich sollte nicht für Euch bürgen, Vitus von Viterbo!« sagte der Bretone mit kalter Geringschätzung. »Zu lange mußte schon mein Herr Ludwig Eures Gebetes entbe h ren.«
»Die Kurie bedurfte meiner Dienste, Herr Yves«, mu r melte Vitus, ärgerlich, ausgerechnet hier von seiner Ve r gangenheit eingeholt zu werden.
»Ihr solltet Euch überlegen, wem zu dienen Ihr die Pr ä feren z g ebt«, spottete Yves mit einem verächtlichen Blick auf das ungepflegte Äußere des Dominikaners. »Alle r dings hat Euer unent-schuldigtes Fernbleiben von den Pflichten eines Beichtvaters auch sein Gutes gehabt: Das Castel Sant ’ Angelo hört nicht mehr jedes Husten des Königs, bevor dieser sein sputum von sich gegeben hat!«
»Ich bin kein Verräter!« bäumte sich Vitus auf.
»Nein«, sagte der Bretone, »aber ein unwürdiger Spuc k napf!« Er spie dem Viterbesen vor die Füße und schritt von dannen.
»Wer war das«, raunzte Simon von Saint-Quentin seinen ungeliebten Begleiter an, »daß Ihr mich nicht vorgestellt habt?«
»Ein Totschläger«, knurrte Vitus, »der das Kleid des Priesters mit dem Rock des Königs vertauschen durfte.« Sie begaben sich zur Fähre, die sie zurück an das andere Ufer brachte.
»Ihr könnt sagen, was Ihr wollt«, ereiferte sich Vitus, als er wieder vor den Legaten geführt wurde, »eine solche Versammlung von höchsten Würdenträgern, Botschaftern und Legaten, wie sie hier und heute in Byzanz zusamme n gekommen ist, ereignet sich nicht von ungefähr, sie wurde höheren Ortes einberufen!«
»Als Legaten der Kirche sehe ich nur mich – und mich hat niemand einzuberufen außer meinem Herrn Papst, zu dem ich zurückkehren will – und zwar auf dem schnel l sten Wege!«
»Vieles kann sich in Eurer Abwesenheit ereignet haben, Fra ’ Ascelin«, gab Vitus zu bedenken. »Ihr solltet nicht noch einmal den Fehler begehen, eine Euch von der G e schichte angebotene einmalige Gelegenheit auszuschl a gen, nur weil Ihr Euch engstirnig an die Buchstaben
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