Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
halten eine Probe ab«, beschied mich Turnbull. »Wo sind die Kinder?«
Roç und Yeza tobten auf den Zuschauerrängen, wo sich die Gräfin, der Bischof und zu meinem Befremden auch Gavin, der Tempelritter niedergelassen hatten. Das Aufta u chen des Präzep-tors hatte in meinem Leben immer U m wälzungen angekündigt, die mich bedrohlich nah an den Rand meiner physischen Existenz gestoßen hatten. Eine Alarmglocke bimmelte schrill i n m einem dumpfen Kopf, der sowieso benommen war von allem, was um ihn herum vor sich ging.
Die Kinder stürmten herbei, ohne daß man sie zweimal rufen mußte, auch Sigbert nahm seinen Platz wieder ein.
»Wie seht ihr denn aus?« rügte John die martialische Aufmachung der beiden. »Können sie nicht würdiger g e kleidet sein?« wandte er sich an Clarion.
»Au ja!« rief Yeza und rannte zu der Kostümkiste Ben e dikts, die man ebenfalls auf die Bühne geschafft hatte.
»Auch William sollte vielleicht wie ein Hoherpriester wirken«, schlug Lorenz vor, sich auf meine Kosten amüsi e rend, »so als Oberschamane, damit schon durch seinen Auftritt der ganze Zauber des Orients -?«
»Fauler Zauber!« murmelte Sigbert, der sich wieder den für Pian vorgesehenen Umhang über die breiten Schu l tern geworfen hatte, doch Turnbull griff Lorenz ’ Anregung dankbar auf:
»Das kann mitschwingen!« sinnierte er, und ich begab mich zu der Kiste, in der schon die Kinder und Clarion wühlten.
»Wir sollten die Verteilung der Sitzplätze besprechen«, wandte sich della Porta, der von der Empore herabgesti e gen war, an Turnbull, »ich dachte den griechischen Kl e rus und die übrigen christlichen Religionen rechts –«
»Gemischt?« warf Gavin ein, der Laurence galant seinen Arm geboten hatte.
»Also postieren wir die Ritterorden zwischen den Fra k tionen?« bot der Bischof an. »Die Johanniter zwischen den Römischen –«
»Doch wohl nicht neben die Herren vom Tempel!« Auch die Gräfin erfaßte sofort die Möglichkeiten des bo s haften Spiels. »Zwischen den Orden sollte eine Mauer g e zogen werden – oder man stellt die Teutonen dazwischen!«
»Ich bin allein«, scherzte Sigbert, »und hab nur zwei Arme, um sie auseinanderzuhalten.«
»Wir vom Tempel werden gegenüber Aufstellung ne h men«, entschied Gavin. »Wir stellen uns zu den Sufis und den Abgeordneten des Sultans!«
»Was mir viel mehr Sorge bereitet«, ließ sich Sigbert vernehmen und senkte seine Stimme, »wo bleiben eigen t lich die Emissäre des Alten vom Berge? Wir sollten mit ihnen rechnen!«
»Assassinen erhalten keinen Zutritt!« verkündete der B i schof auftrumpfend. »Ich lasse jeden an Tür und Tor kon t rollieren, mit dreifachem Kordon!«
Gavin und Sigbert warfen sich einen Blick zu, der volles Einverständnis über den törichten della Porta signalisie r te, der da glaubte, sich durch verstärkte Wachen in S i cherheit wiegen zu können.
»Die Abgesandten der Republiken verteilen wir ebenso auf beide Seiten«, schlug Gavin vor, »damit nicht die Ser e nissima neben Genua zu sitzen kommt –«
»Da sitzen die Schwerter nicht lange locker«, lachte Sigbert. »Am besten wir überlassen es den diversen Strei t hähnen, sich ihren Platz so weit entfernt vom Gegner zu suchen, wie es ihnen beliebt.«
»Und haben sofort eine Schlägerei um die Sessel in der ersten Reihe!« lachte die Gräfin.
»In der ersten Reihe«, Turnbull versuchte sich wieder Autorität zu verschaffen, »sitzen der Gesandte des K ö nigs von Frankreich, der Graf Joinville; ein Sohn des Königs Bela von Ungarn –«
»Bastardsohn!« zischelte der Bischof dazwischen.
»- dann der Konnetabel von Armenien, Sempad, leibl i cher Bruder des Königs Hethum, der gerade auf dem Weg zum Großkhan hier Station macht – und daneben vielleicht Ihr, werte Laurence, mit Eurer liebreizenden Ziehtochter Clarion, in Vertretung des Kaisers?«
In diesem Moment zog Yarzinth seinen Herrn beiseite und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was diesen leicht erbla s sen ließ.
»Der Kaiser!« verkündete er. »Kaiser Balduin und Ka i serin Maria erwarten, daß morgen nachmittag die Kinder in ihren Palast gebracht werden, damit sie über ihr Schic k sal entscheiden – alle hier Versammelten sollen sich als unter Arrest betrachten!«
In das dem Schweigen folgende Gemurmel der Emp ö rung tönte die Stimme Turnbulls; er war jetzt wieder Herr der Lage, unberührbarer maestro venerabile.
»Die Sterne«, rief er, »strahlen uns auch am Tage – nur, daß wir sie nicht sehen!
Weitere Kostenlose Bücher