Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
verrührt. Er traf nur auf große Kake r laken, die eilig über den Estrich weghuschten. Er trank die gefundene Milch, lau wie sie war.
Gavin verspürte nach der Begegnung mit dem Bretonen kein sonderliches Verlangen mehr, noch bis zum Hafen hinunterzusteigen, um sich einen letzten Überblick zu ve r schaffen, wer alles ihm morgen mittag mit heruntergela s senem Visier oder offen gegenübertreten mochte. Von den Franzosen wußte er, die Kurie würde zur Stelle sein, in welcher Person auch immer. Dies nicht als gegeben anz u nehmen, hieße das Castel gröblich zu unterschätzen. Frie d rich, das gesamte Aben d land, sie waren ja alle vertreten, reichlich!
Was ihm Sorge machte, war der Orient, und zwar der unsichtbare: Die Assassinen und die Mongolen – und dann war da schließlich auch noch der lokale Herrscher, Kaiser Balduin, zwar schwach im Vergleich zu den anderen Mächten, doch immerhin stark genug, innerhalb der Mauern dieser Stadt seinen Willen durchzusetzen – auch wenn Nicola della Porta dies auf die leichte Schulter nahm. Der Präzeptor beschloß, zum Kallistos-Palast zurückzuke h ren.
Die baumbestandene Allee, die vom Palast in Serpent i nen zu Stadt und Hafen führte, kamen Reiter heraufges p rengt, die eine schwarze Sänfte eskortierten.
Er erkannte gerade noch rechtzeitig, daß es seine eig e nen Templer waren, und trat zurück in den Schatten. ›La Grande Maitresse!‹. Er verspürte keine Lust, jetzt auch noch der Großmeisterin Rede und Antwort zu stehen. Der Zug preschte vorbei und entschwand im Dunkel der Nacht.
Suchte man nach ihm? Er begann zögerlich die Treppen hinaufzusteigen, bog aber dann ab und verweilte am Turm des He-phaistos, bis das Schlagwerk die zweite Stunde des Phosphores verkündet hatte. Jetzt mußte die Luft wieder rein sein!
Yves der Bretone war es nicht gewohnt, daß man ihn warten ließ, doch als er den gebeugten Koch mit seinem verschnürten Hund auf dem Rücken endlich durch das Friedhofsgatter schlüpfen sah, verrauchte sein Zorn. Die U n pünktlichkeit hatte ja auch den Vorteil gezeitigt, daß sein Stelldichein mit dem Glatzköpfigen nicht diesem arr o ganten, doch sicherlich nicht auf den Kopf gefallenen und sofort alarmierten Templer offenbart ward. Um weiteren u n liebsamen Überraschungen aus dem Wege zu gehen , faßte Yves sein Angebot und sein Begehr knapp. Er zog einen Sack aus seinem Rock.
»Das ist Silber«, erläuterte er dem verlegen drei n schauenden Yarzinth, der erst mal den schlafenden Styx behu t sam abgelegt hatte. »An was erinnert dich dieser Sack von Silberlingen? – An einen Kinderkopf!« gab sich der Bretone die Antwort selbst. »Zwei weitere, doch diesmal mit purem Gold gefüllt, so schwer, wie du einen mit au s gestrecktem Arm bis zur Achselhöhe aufheben kannst, e r hältst du« – Yarzinth starrte ihn mit vor Entsetzen aufgeri s senen Augen an; ihm schwante Furchtbares –, »zwei Säk-ke Gold sind dein, davon können du und dein treuer Hund bis ans Ende eurer Tage in Frieden leben, wenn du mir morgen die Köpfe der Kinder bringst!«
»Nein!« sagte Yarzinth. »Nein, das kann ich nicht!«
»Liebst du die Kinder mehr als deinen Styx?«
Yarzinth war so konsterniert von dieser Frage, daß ihm der blitzschnelle Griff des Bretonen nach seinem Schwert entging. Plötzlich funkelte die Schneide über Styx, der wehrlos zu seinen Füßen schlummerte.
»So wie ich ihn dir jetzt abstechen könnte«, sagte Yves kalt, »werde ich ihn finden und töten, wo immer du ihn auch versteckst. Mein Eisen sticht schneller, als du dein Moschus zu verspritzen magst!«
Yarzinths Hand rutschte schlaff von dem Flakon ab. Er begriff, daß er keine Wahl hatte. »Müssen es denn ihre Köpfe sein?« stammelte er. »Kann ich sie nicht -?«
»Nein!« zerschnitt ihm Yves die Gedanken an Ersticken im Schlaf, heimliches Erwürgen oder schmerzloses Vergi f ten. »Ich will die Köpfe – ihre Köpfe, keine untergesch o benen, deren Mäu-ler in der Altstadt keiner vermissen wü r de. Du bringst sie mir morgen – bevor die Sonne untergeht – in einem Korb!«
»Wohin?« fragte Yarzinth mit gebrochener Stimme. »Hier. Ein Friedhof deucht mich der rechte Ort!«
Yves grinste nicht, nur seine Stimme machte sich lustig über das Grauen, das den Glatzkopf befallen hatte. »Nun nimm den verdienten Lohn, daß du nichts Besseres zu tun hattest, als Yves dem Bretonen das Leben zu retten!« Jetzt mußte er doch lachen, es klang höllisch in des Kochs O h ren.
Styx erwachte und
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