Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
gähnte mit aufgerissenem Rachen, soweit ihm sein Maulkorbstrick das erlaubte. Yarzinth bückte sich, nahm seinen Hund in beide Arme, Yves reic h te ihm den Beutel nach, und er entschwand.
Dieser Teufel sollte wenigstens nicht die Genugtuung der Tränen erleben, die ihm jetzt herunterrannen und das Fell von Styx benetzten. So schnell er konnte, lief er mit se i ner Last aus dem Friedhof.
Der Bischof schlurfte, eine wollene Stola über den Schu l tern und in Brokatpantöffelchen, mißmutig durch se i nen Palast, als ihm die Torwache meldete, ein junger Tempe l ritter stehe draußen und wünsche ihn zu sprechen.
»Führt ihn herein!« Er dachte an eine Nachricht von G a vin.
»Nein, Ihr sollt herauskommen!«
Nicola erschrak, ihm fielen plötzlich siedend heiß die von Crean angekündigten Assassinen ein, die sich in jeder Verkleidung Zugang verschafften. Doch der schlanke Ri t ter mit den mädchenhaften Zügen war sicher kein ismaël i tischer Meuchelmörder.
»Guillem de Gisors«, stellte er sich vor. »Exzellenz, Ihr seid gebeten, mir zu folgen!«
Nicolas Blick wanderte fahrig über die Freitreppe hinu n ter zum Außenportal seines Palastes. Im flackernden Licht der Fackeln sah er eine abgesetzte Sänfte, von den ihm ve r trauten Templern eskortiert.
»Ich bürge für Eure leibliche Unversehrtheit«, setzte Guillem sanft hinzu, und über seine hübsche Miene glitt ein leichtes Lächeln, gemünzt auf den Aufzug des B i schofs.
Nicola wäre gewiß lieber mit dem schönen Knaben a l lein zusammengetroffen, und sei ’ s im Nachtgewand; nichtsdestoweniger ließ er sich dessen Arm reichen und stieg die Stufen so würdevoll wie möglich hinab.
Als er an der schwarzen Sänfte anlangte, öffnete sich der Vorhang einen Spalt und ein versiegeltes Schreiben wu r de ihm von einer feingliedrigen, schneeweißen Hand herau s gereicht. Der Bischof erkannte es sofort. Es war der Brief des Großkhans an den Papst, den Crean im Verein mit G a vin den aus der Mongolei zurückkehrenden Mi s sionaren abgenommen hatte und der eigentlich sicher verwahrt in seiner Schatzkammer ruhen sollte.
»Wie kommt der Brief in Eure Hände?!« sprach er e m pört den Vorhang an, doch die Antwort kam von dem ju n gen Ritter.
»Fragt nicht nach den Wegen, sondern hört das Ziel!« Er zog ein Papier aus seinem Rock. »Hier ist die Überse t zung des in persischer Sprache mit arabischen Buchstaben g e schriebenen Originals.« Er drückte das Papier dem verdut z ten Nicola in die Hand. »Euer junger Freund –«
»Hamo?« entfuhr es dem Bischof erschrocken.
»Der junge Graf von Otranto verfügt über eine woh l klingende Stimme. Er wird diesen Text für alle Welt übe r raschend verlesen, also ohne jegliche Vorankündigung, bevor Pian del Carpine das Wort ergreifen kann.« Gui l lem de Gisors war schön, wie ein Engel! »Ihr, Nicola della Po r ta, werdet dafür sorgen, daß der vortragende Bote‹, Euer junger Freund, danach für niemanden mehr habhaft ist. Das gleiche gilt für den geschriebenen Text der Übersetzung!«
Dem Bischof war es, als ob ihm ein Messer ins Herz g e stoßen würde. Als er kein Wort herausbrachte, tönte eine Stimme hinter dem Vorhang wie aus einer Gruft: »Schwört!«
Bevor sich Nicola einen Einwand überlegen konnte, zog der junge Ritter sein Schwert. »Kniet nieder!« forderte er ihn auf un d h ielt ihm die blanke Klinge hin. »Schwört beim Leben des Grafen von Otranto, daß Ihr so verfahren we r det!«
»So sei es!« sagte der Bischof mit zittriger Stimme. Wie schön dieser Jüngling ist, dachte er wiederum, wie der E r zengel mit dem Flammenschwert; und schauderte z u gleich wohlig ob der Gefahr für die körperliche Unve r sehrtheit seines Geliebten. Ὃ í ï ὶ ϑ åï ὶ öéëïûóéí áðï ϑ íÞóêåé íÝïò, und er k üßte den kalten Stahl.
»Schweigt über alles!« fügte Guillem hinzu. »Zu j e dem!« Er reichte ihm sogar den Arm, als sich der Bischof wi e der erhob. »Und jetzt schickt uns den John Turnbull!«
Benommen, unsicher schritt Nicola die Freitreppe wi e der hinauf. In der einen Hand das Papier, in der anderen das Schreiben des Guyuk an Innozenz IV; das Siegel war unversehrt. Oben angelangt, erteilte er den Wachen O r der, sofort zum Hafen zu reiten und Hamo, den Sohn der Gr ä fin, zu holen.
Die Uhr des Hephaistos kündigte die dritte Stunde des Phos-phoros an. Ihr Klang drang nur schwach durch die Mauern des Palastes. Stille herrschte in den Hallen; nur aus der Kammer
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