Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
sie!« sagte der bloß und wollte sich verdr ü cken.
»Bleibt!« sagte der Amalfitaner leise beschwörend. »In der Not muß Otranto zusammenstehen!« Denn er sah mit einem Blick, daß die Damen von Sigbert mit gezogenem Schwert geleitet wurden und daß alle sehr aufgeregt w a ren.
»Sofort hier weg!« rief die Gräfin, kaum daß alle an Bord geströmt waren. »Legt ab!« schrie sie Guiscard an.
»Wo ist William?« fragte jetzt Yeza die verstörte Clar i on, di e s ich hilfesuchend an den Deutschritter wandte, der als einziger am Kai geblieben war, während schon die Taue losgemacht wurden.
»William ist –«
»William ist verwundet und kann nicht mit uns reisen!« verkündete die Gräfin barsch. »Ablegen!«
»Nein!« schrie da Roç und sprang über die Reling z u rück auf den Kai. »Nicht ohne William!«
»Komm sofort zurück!« zeterte die Gräfin.
»Nein!« rief Roç mit heller Stimme. »Otranto! Her zu mir!« Er stand da, und alle spürten die Willenskraft des Jungen. »Wir gehen William holen!«
»Holt das Kind an Bord!« befahl die Gräfin Guiscard. »Bringt ihn her!« fauchte sie den Ritter an.
Da trat Hamo als erster von Bord an Land. »Die Ehre Otrantos verlangt«, wandte er sich an die lancelotti, mori s kos und Armbru-stiers, die dicht gedrängt an der R e ling standen und schweigend das Duell verfolgten, »daß wir so handeln, wie Roç gesagt!«
»Die Schiffswache bleibt!« befahl Guiscard. »Alle and e ren folgen dem Kommando!«
Da traten alle zurück an Land, diesmal schulterten die Lancelotti ihre Sensenruder, und der Zug setzte sich in Bewegung, vorneweg Roç, dem Hamo den Arm um die Schulter legte. »Du hast deinen Bogen vergessen!«
»Kinderkram!« sagte Roç und vergewisserte sich, daß die Fahne mitgekommen war.
»Mist«, meinte Yeza, »daß wir Frauen keine Ritter sind!«
»Wir können ihnen winken«, schlug Clarion vor und tat es auch ausgiebig. Da sah sie Yeza, die sich heimlich von ihrer Seite davongestohlen hatte, von allen Zurückgebli e benen unbeachtet über die Reling geklettert war, wie sie wieselflink die Abziehenden einholte.
Clarion schaute stolz dem Heereszug nach, der sich auf die Altstadt zubewegte. Sigbert bildete die Nachhut, was a l le als beruhigend empfanden. Er hatte Yeza bei der Hand genommen.
Der Gral entrückt
Konstantinopel, Herbst 1247
»Ich verlange die Auslieferung dieses ketzerischen Obe r priesters«, Vitus ’ Finger stach durch die undurc h dringliche Mauer der Tempelritter, als wolle er John Turnbull au f spießen, »seine Überstellung an die Inquisition! Und auch dieser episcopus Terrae Sanctae sollte –«
Ein weiteres Geifern des Viterbesen wurde auf einen Wink Fra ’ Ascelins unterbunden. Einer seiner Soldaten, die Vitus festhielten wie einen bissigen Hund unter Tollwu t verdacht, hatte ihm mit dem eiserenen Halsring die Stimme abgewürgt.
Die Bühne war in zwei feindliche Lager gespalten. Die Mauer der Templer, die zweifellos hier die Macht des Schwertes besaßen, bildete die Grenze. In der hinteren Ecke, von den Rittern abgeschirmt, saßen die Angekla g ten John Turnbull und Galeran. Sie taten beide so, als ginge sie das Verlangen des Viterbesen nichts an. Der Alte kauerte immer noch versteinert in seinem Stuhl und starrte leeren Blickes, und der Bischof von Beirut rutsc h te unbehaglich auf seinem Sitz herum; ihm machte nur zu schaffen, daß es hier nichts zu trinken gab. Vor den schweigsamen Tem p lern standen ihr Präzeptor und der Bischof beisammen.
Der andere Teil der Bühne war in der Hand der Päpstl i chen. Vitus war von den als Schwarzkutten verkleideten Schlüsselsoldaten umringt, die teils mit ihm sympathisie r ten oder zumindest nicht wußten, ob sie die Aggress i on des Viterbesen gegen den Rest der Anwesenden u n terstützen oder ob sie den schrecklichen Vitus weiterhin in strengem Gewahrsam halten sollten, wie Fra ’ Ascelin, der Herr L e gat, es wünschte.
Die Bediensteten des Bischofs hatten die Leiche des A s sassinen weggeschafft, die der beiden Franziskaner vor den Altar gebettet. Pian del Carpine hatte beiden die Hände über der Brust gefaltet, als er den Zipfel eines zusamme n gefalteten Papiers aus der Innentasche des tatarischen Ma n tels ragen sah, der die sterblichen Überr e ste des William von Roebruk umhüllte. Von Fortuna im Umgang mit Bri e fen nicht sonderlich verwöhnt, versuc h te er es verstohlen an sich zu bringen.
Doch Simon, der Dominikaner, hatte seine braunen Br ü der von Assisi nicht
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