Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
Kreis war absichtlich klein gehalten worden – waren sein jüngerer Bruder Anselm, ›Fra Ascelin‹ gerufen, ein ehrgeiziges Bürschchen, se i nem Bruder, einem eitlen Pfau, an Geistesschärfe weit überl e gen; Matthäus von Paris, ein namhafter Chronist, der z u dem das geheime Documentarium der Kurie ve r waltete und das Ohr des Grauen Kardinals besaß, und schließlich eine Person, die weder dem Ordo Praedicat o rum angehörte noch den anderen bekannt war: Yves, der Bretone. Er saß hier als Observant; denn er vertrat die französische Krone, und auf deren Grund und Boden hatte man sich schließlich ve r sammelt. Seine Gastrolle hinderte ihn auch nicht, als erster den Mund aufzumachen, und es war auch gleich kaum ve r hüllte Häme, die er den älteren Longjumeau sp ü ren ließ.
»Innozenz hat sich gerade erst nach Genua gerettet«, sagte er, »da denkt Ihr schon an eine Massenversammlung von Kardinälen. Die müssen erst mal ernannt, dann bereit sein, ihre Haut durch Stauferland und übers Meer zu di e sem Markt zu tragen!«
»Euer König zeigt sich entgegenkommender als Ihr, Yves – das Konzil wird zustande kommen, und wenn erst in Jahresfrist, und wenn auf französischem Boden!«
»Das wage ich aufrichtig zu bezweifeln, Monsignore – doch laßt Euch davon nicht aufhalten«, schloß der Bret o ne spitz.
Fra Ascelin sah sich genötigt, seinem düpierten Bruder zur Hilfe zu kommen: »Wir, der gelehrte Bruder Ma t thäus und meine Wenigkeit, haben vorsorglich ein Pr o gramm entwickelt, das Ihr, werter Bruder, so es Euer Gefallen fi n det, dem Heiligen Vater unterbreiten solltet, sobald er M u ße und Sinn für solche Elaborate hat. Es besteht aus Th e mata und Verhaltenspropo-sita für eine Rede, von der die Verfasser glauben, daß sie den gewünschten, den notwe n digen Erfolg zeitigen wird.« Er hielt inne und lächelte Ma t thäus spitzbübisch auffordernd zu, damit dieser sich auch hinter den gemeinsamen Vorschlag stellte – ihm, dem jü n geren Bruder, würde Andreas es nie abnehmen. Aus Pri n zip nicht! »Da unser scriptum auch einige Vorschläge b e treffs Gestik und Mimik enthält, die niemand wie Ihr, An d reas, dem Heiligen V a ter nahebringen kann, gestattet, daß wir es zweistimmig vortragen: ich den eigentlichen Text und Fra Ascelin den« – er warf einen Seitenblick auf Yves, doch Andreas nickte huldvoll Bedenkenlosigkeit – »ve r traulich zu b e handelnden Kommentar –«
»Intricata im Castel Sant ’ Angelo composita und von Mönchen cantata, noch dazu im Wechselgesang! Das muß ich mir nich t a nhören!« sagte Yves schroff. »Ich komme wieder, wenn Wesentliches ansteht«, und er ging hinaus.
Andreas gab indigniert ein Zeichen, mit dem Vortrag zu beginnen. Matthäus und Ascelin erhoben sich, legten die eng beschriebenen Seiten vor sich auf ein Lektionar.
»Wir müssen schweres Katapult auffahren«, sagte Ma t thäus einleitend, »denn die Könige von England und Fran k reich werden Beobachter entsenden, die unserer Sache ke i neswegs geneigt sind, wie Ihr gesehen habt, – und der Ka i ser wird sich durch seine besten Juristen ve r treten lassen, seine Großhofrichter. Die Stimmung wird gegen uns sein, die Verurteilung des Staufers durchaus keine ausgemachte Sache, unsere Prälaten könnten schwanken; sie drohen auf die falschen Beteuerungen guten Willens und friedlicher Lösungen hereinzufallen. Dem ist vorzubeugen!«
»Einzug im festlichen Ornat«, deklamierte nun Ascelin, der sich Mühe gab, dem Ernst der Sache zu entsprechen. »Anrufung des Heiligen Geistes – feierlich! –, danach b e tont ›gemeinsames‹ Gebet als Einstimmung – und dann längeres Schweigen der Besinnung. Predigt keinenfalls zu früh oder zu hastig beginnen!«
»Thema«, ergriff Matthäus das Wort: »›Ihr alle, die ihr des schweren Weges zieht, merket auf und sehet, ob es e i nen Schmerz gibt wie meinen Schmerz!‹«
»Klagelieder des Jeremias!« erläuterte Ascelin. »Erstes, noch verhaltenes Schluchzen!«
»Ausführung«, sagte Matthäus, der über ein sonores, wohlklingendes Organ verfügte: »Seine Heiligkeit ve r gleicht Ihren Schmerz mit den fünf Wunden des Gekre u zigten. Erster Schmerz: ›Ob der unmenschlichen, die ganze Christenheit zugrunde richtenden Tataren‹.«
»Aufrüttelnde Klage!« fiel Ascelins helle Stimme ein. »Breiter Konsens kann vorausgesetzt werden!«
»Zweiter Schmerz: ›Ob des schismatischen Abfalls der Griechischen Kirche, die sich vom Schoß der Mutter, als wäre
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