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Gralszauber

Titel: Gralszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die Hälfte des Begrüßungskomitees war beritten und näherte sich ihnen entsprechend schneller.
    Als sie noch eine knappe Meile entfernt waren, ließ Artus sein Pferd langsamer gehen und hielt schließlich an.
Wie alle anderen wankte er vor Erschöpfung im Sattel.
Sein Gesicht war eingefallen und grau; das Antlitz eines
alten Mannes, nicht eines Königs. Seine Augen hatten
einen fiebrigen Glanz, als ihr Blick den Lancelots suchte.
    »Wir sind zu Hause«, murmelte er. »Ich danke euch, Sir
Lancelot. Ohne Eure Hilfe wäre wohl keiner von uns lebend zurückgekehrt. Und doch habe ich noch eine weitere
Bitte an Euch. Vielleicht die größte überhaupt.«
    Lancelot schwieg. Die Reiter, die ihnen aus Camelot
entgegenkamen, waren nicht mehr weit entfernt, und wenn
sie erst einmal hier waren, hatte er so gut wie keine Aussichten mehr, unauffällig zu verschwinden.
    »Ihr wollt nicht bei uns bleiben«, sagte Artus unvermittelt.
Lancelot fuhr überrascht zusammen. »Woher … ich
meine, wie kommt Ihr auf diese Idee?«
Ein müdes Lächeln erschien auf Artus’ Zügen. »Ihr seid
nervöser geworden, je näher wir Camelot gekommen
sind«, antwortete er. »Als Ihr Lady Gwinneth und König
Uther gerettet habt, seid Ihr davongeritten, ohne auch nur
unseren Dank abzuwarten. Und Ihr hättet dasselbe wohl
auch gestern getan, hättet Ihr nicht befürchten müssen,
dass Mordred uns unterwegs auflauert um zu Ende zu
bringen, was er begonnen hat.«
Lancelot schwieg. Was sollte er auch sagen? Wie es aussah, hatte er Artus wohl gründlich unterschätzt.
Artus ließ sein Pferd ein paar Schritte zur Seite laufen
und hielt wieder an, damit Lancelot ihm folgte. Als Lancelot das Einhorn neben ihm zügelte, sprach er mit gesenkter
Stimme weiter. »Ich will offen zu Euch sein, Lancelot. Ich
brauche Euch. Camelot braucht Euch.«
»Camelot?«
»Ich weiß, was Ihr sagen wollt«, antwortete Artus. »Was
habt Ihr mit Camelot zu schaffen? Weder ist es Eure Heimat noch sind seine Menschen Eure Brüder und Schwestern. Und doch brauchen sie Euch. Camelot braucht einen
König und ich werde diese Rolle für eine Weile nicht
mehr ausfüllen können.«
»Ich bin kein König und ich will es auch nicht sein«,
antwortete Lancelot erschrocken.
»Aber Ihr könnt mich vertreten«, beharrte Artus. »Camelot braucht Euer Schwert. Wenn bekannt wird, dass der
König von Camelot nicht mehr in der Lage ist, seinen
Thron zu verteidigen, dann werden unsere Feinde in Scharen herbeiströmen.« Er deutete zur Stadt hinüber. »Ich
bitte nicht für mich, Lancelot. Ich bitte für sie. Für die
Menschen, die dort leben und die ihr Schicksal in meine
Hände gelegt haben.«
Lancelot schwieg noch immer. Er sah zur Stadt hin,
dann drehte er sich im Sattel herum und blickte auf den
jämmerlichen, zerschlagenen Haufen, der einstmals der
Stolz Camelots gewesen war, und schließlich den näher
kommenden Reitertrupp. Eine der Gestalten, die ganz vorne ritt, unterschied sich von den anderen. Sie war auffallend hell gekleidet und schien es ganz besonders eilig zu
haben, denn sie ritt ein gutes Stück vor den anderen.
Dann erkannte er sie. Es war Gwinneth. Sie trug ein
schneeweißes Kleid, das in der hereinbrechenden Dämmerung hell leuchtete, und dazu einen weit geschnittenen
Umhang, der hinter ihr im Wind flatterte. Sie ritt nicht im
Damensattel, sondern saß wie ein Mann auf dem Rücken
ihres Pferdes, und die Schnelligkeit, mit der sie heranpreschte, ließ keinen Zweifel daran, dass sie eine hervorragende Reiterin war. Im flackernden Licht der sich zurückziehenden Nacht schien sie von etwas wie einem milden, fast unsichtbaren Leuchten umgeben zu sein.
Hätte man Lancelot in diesem Moment gesagt, dass sie
kein Mensch sei, sondern eine Feenkönigin oder eine Elfe,
er hätte es geglaubt. Sein Herz zog sich zu einem schmerzenden Stein zusammen, und ohne dass er es merkte,
krampften sich seine Finger so fest um die Zügel, dass das
Leder knirschte.
Artus wartete noch eine kurze Weile vergebens auf eine
Antwort, dann drehte er sein Pferd herum und ritt Gwinneth und den anderen entgegen. Auch seine Ritter folgten
ihm und schließlich schloss sich auch Lancelot an.
Gwinneth sprengte den Hang hinauf und brachte ihr
Pferd mit einem so harten Ruck neben Artus zum Halten,
dass das Tier scheute und zu tänzeln begann.
»Artus, um Gottes willen!« Gwinneth stieß einen erschrockenen Schrei aus, als sie in Artus’ Gesicht blickte,
und schlug die Hand vor

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