Gralszauber
den Mund. Dann fiel ihr Blick
auf die anderen Ritter und Lancelot konnte sehen, wie
alles Blut aus ihrem Gesicht wich.
»Was … was ist geschehen?«, keuchte sie. »Was ist
denn nur –«
Sie brach mitten im Satz ab, als sie Lancelot erblickte.
Ihre Augen wurden groß.
»Mordred«, antwortete Artus. »Wir sind in einen Hinterhalt gelockt worden. Wäre Sir Lancelot nicht erschienen, dann wären wir wohl alle getötet worden.«
»Der König übertreibt«, sagte Lancelot unbehaglich.
»Ich konnte meinen Teil dazu beitragen, aber die Schlacht
haben wir alle gemeinsam gewonnen.«
Gwinneth starrte ihn an. Lancelot war sicher, dass sie
seine Worte gar nicht gehört hatte, so wenig wie die Artus’ zuvor. In ihren Augen erschien ein Ausdruck, den
Lancelot im ersten Moment nicht verstand, denn er schien
aus purem Schrecken zu bestehen, aber dann wurde ihm
klar, dass sie denselben Schmerz verspürte wie er. Er hätte
nicht kommen sollen. Er hätte Artus bis hierher begleiten
und dann davonreiten sollen, bevor Gwinneth heran war.
Nun war es zu spät.
»Sir … Lancelot«, murmelte sie schließlich.
In ihrer Stimme war ein Unterton, der Lancelot schaudern und Artus alarmiert aufblicken ließ.
»Sir Lancelot, ja«, bestätigte er überflüssigerweise.
»Nun haben wir noch etwas gemeinsam, denn jetzt verdanken wir ihm beide unser Leben.« Er atmete hörbar ein.
»Aus diesem Grund habe ich ihn auch gebeten, den Sommer über in Camelot zu bleiben.«
Niemals! Aus dem Schrecken in Gwinneths Augen wurde für die Dauer eines Herzschlages das blanke Entsetzen. Tut es nicht! Ich flehe Euch an!
Artus drehte sich halb im Sattel herum um Lancelot direkt anzusehen. »Unsere Vermählung ist für das Sonnenwendfest geplant«, sagte er. »Ich möchte, dass Ihr bis dahin unser Gast seid, Sir Lancelot! Lady Gwinneth und ich
würden uns geehrt fühlen, wenn Ihr unser Trauzeuge
wärt.«
Lancelot sah Gwinneth an, registrierte das Flehen in ihren Augen, aber auch die verzweifelte Hoffnung darunter.
Es war Wahnsinn. Für einen Augenblick sah er die Zukunft so klar vor sich, als hätte er sie bereits gelebt. Er
wusste, was passieren würde, wenn er Artus’ Bitte entsprach und blieb. Aber wenn er ging, dann würde er
Gwinneth niemals wieder sehen.
»Ich danke Euch, König Artus«, sagte er. »Euer Angebot ehrt mich. Ich nehme es gerne an.«
Drei Tage lang irrte er ziellos umher. Er aß nichts in dieser
Zeit, schlief zusammengenommen weniger als in einer
einzigen Nacht und hielt nur ein paar Mal an, um seinen
schlimmsten Durst zu stillen. Er wusste nicht, wo er war
oder wohin er ritt, und er wusste nicht einmal, was er in
dieser Zeit gedacht hatte. Wenn er sich daran zu erinnern
versuchte, dann war es wie die Erinnerung an einen Fiebertraum, voll düsterer, sinnloser Bilder und Furcht, deren
einziger Grund er selbst war.
Am Abend des dritten Tages erreichte er Malagon.
War es Zufall, dass ihn die Schritte des Einhorns zu diesem verfluchten Ort gelenkt hatten??
Lancelot glaubte es nicht. Er war kreuz und quer durch
das Land geritten und hatte jede menschliche Ansiedlung
gemieden und nun war er ausgerechnet hier, weit im Norden des Landes, in einem Gebiet, das Menschen normalerweise wie die Pest mieden und in das kein befestigter
Weg und kein Pfad führte. Und nun stand er vor diesem
düsteren, uralten Gemäuer, von einem Schicksal hierher
geführt, das sich einen grausamen Scherz nach dem anderen mit ihm erlaubt hatte und dessen Plan er noch immer
nicht durchschaute. Falls es überhaupt einen gab.
Vielleicht war das, was die Menschen so gern als
Schicksal bezeichneten, in Wahrheit nur bloße Willkür,
eine Aneinanderreihung von Dingen, die geschahen oder
auch nicht; und eine bequeme Ausrede für alle, die nicht
in der Lage waren, ihre eigenen Geschicke zu lenken.
So wie er.
Zeit seines Lebens hatte er sich gewünscht, nicht länger
ein einfacher Küchenjunge zu sein und ein Leben zu führen, dessen größte Aufregung darin bestand, irgendwie
Tanders Wutausbrüchen zu entgehen und sich ein- oder
zweimal pro Woche mit Mike und seinen beiden Kumpanen zu prügeln. Er hatte ein Held sein wollen. Ein Ritter
auf einem strahlenden Ross, der gewaltige Schlachten
schlug und seine Feinde besiegte und am Ende das Herz
einer wunderschönen Jungfrau eroberte, kurz: Er hatte
dieselben Wünsche gehabt wie jeder andere Junge in seinem Alter.
Nun war er ein Held. Er saß auf dem gewaltigsten
Schlachtross, das die Welt jemals
Weitere Kostenlose Bücher