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Gralszauber

Titel: Gralszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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entfernt war. Bei jedem
einzelnen dieser Schritte rechnete er damit, das Sirren einer Bogensehne zu hören oder donnernden Hufschlag.
Aber das Wunder geschah: Er erreichte unbehelligt das
Gebüsch und ließ sich schwer atmend dahinter auf die
Knie fallen. Mindestens drei oder vier Minuten blieb er
dort sitzen und suchte den Waldrand nach irgendwelchen
Verfolgern ab. Aber es blieb dabei: Er hatte es geschafft.
Und das Glück blieb ihm treu. Er brauchte lange um sich
dem Dorf zu nähern, denn er huschte von Deckung zu
Deckung und wartete immer ab um sich zu überzeugen,
dass ihn auch wirklich niemand verfolgte. Die letzten
zweihundert Schritte stellten ein Problem dar, denn sie
waren vollkommen ohne Deckung und auch das Gras war
kaum knöchelhoch.
Während er noch dastand und überlegte, hörte er ein Geräusch und im nächsten Augenblick trat eine schlanke Gestalt aus dem Gebüsch.
Lancelot vermochte nicht zu sagen, wer erschrockener
war. Er oder der andere. Lancelot griff sofort nach dem
Schwert und auch der andere prallte erschrocken zurück
und machte eine Bewegung, als wollte er herumfahren und
davonstürzen. Aber er führte sie nicht zu Ende. Der Ausdruck von Schrecken auf seinem Gesicht machte Verwirrung Platz, dann einer Mischung aus Bewunderung und
Staunen.
Lancelot konnte nicht sagen, ob er einem Jungen oder
einem Mädchen gegenüberstand. Er oder sie trug ein weißes, schlichtes Gewand, das bis zu seinen Knöcheln herabreichte und seine Gestalt vollkommen verdeckte. Er hatte
sehr helles, fast weißes Haar, das bis weit über seine
Schultern herabfiel, und auch sein Gesicht war von einer
fast unnatürlichen Blässe und ließ keinerlei Rückschlüsse
auf sein Geschlecht zu.
Außerdem hatte er spitze Ohren.
Eine ganze Weile standen sie sich schweigend gegenüber und blickten einander mit Verwirrung an. Lancelot
war plötzlich sehr froh, den Helm wieder aufgesetzt zu
haben, sodass man sein Gesicht nicht richtig erkennen
konnte.
Schließlich war es der andere, der das immer unbehaglicher werdende Schweigen brach.
»Herr?«, fragte er zögernd.
Lancelot wusste nicht so recht, was er antworten sollte,
zumal er spürte, dass der andere auf eine ganz bestimmte
Reaktion wartete. Aber immerhin hatte er ihn Herr genannt, was auf eine gewisse Rollenverteilung schließen
ließ, die er kannte.
»Wer bist du?«, fragte er ganz bewusst etwas grober, als
nötig gewesen wäre.
»Arianda«, antwortete der andere hastig. »Mein Name
ist Arianda, Herr.«
Prima, dachte Lancelot. Das half ihm wirklich weiter.
War das nun ein Jungen- oder Mädchenname? »Was tust
du hier?«, fragte er.
»Was ich hier …?« Arianda blinzelte. Dann erschien der
Versuch eines schüchternen Lächelns auf seinem Gesicht.
»Aber ich … ich wohne hier.«
»In diesem Dorf?« Lancelot deutete auf die Ansammlung niedriger heller Gebäude. Arianda nickte und Lancelot fügte hinzu: »Wie ist sein Name?«
Diese Frage war ein Fehler, das begriff er sofort. In Ariandas Augen, die von einem so strahlenden Blau waren,
wie Lancelot es noch nie zuvor gesehen hatte, erschien ein
neuerlicher Ausdruck von Verwirrung. Dann lachte er
wieder, aber noch nervöser als zuvor.
»Ich verstehe, Ihr wollt mich auf die Probe stellen«, sagte er. »Das ist Edorals Rast.«
»Edorals Rast …« Lancelot wiederholte das Wort ein
paar Mal in Gedanken. Es klang sonderbar. »Bring mich
hin.«
Diesmal war Ariandas Überraschung beim besten Willen
nicht mehr zu übersehen. »Ihr … Ihr wollt wirklich …«
»In dein Dorf, ja«, unterbrach ihn Lancelot. »Was ist
daran auszusetzen?«
»Nichts«, versicherte Arianda hastig. »Es ist nur … es
kommt selten vor, dass ein Tuata Edorals Rast besucht.
Um ehrlich zu sein, seid Ihr der Erste, solange ich mich
erinnern kann.«
»Obwohl die Stadt so nahe ist?«
»Die Tuata verlassen Avalen nie«, antwortete Arianda.
»So wenig, wie wir Avalen je betreten.« Er runzelte die
Stirn. »Ihr stellt sonderbare Fragen für einen Tuata.«
Lancelot hob die Schultern. »Vielleicht bin ich ja gar
nicht das, wofür du mich hältst.«
Für einen Moment verwandelte sich Ariandas Verwirrung vollends in Bestürzung, aber dann lachte er laut und
sehr befreit auf. »Jetzt weiß ich, dass Ihr mich auf die Probe stellen wollt, Herr«, erklärte er. »Ihr wollt herausfinden, ob ich meine Lektionen auch richtig gelernt habe,
nicht wahr?« Er schüttelte lachend den Kopf. »Nur ein
Tuata kann diese Rüstung tragen. Sie

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