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Gralszauber

Titel: Gralszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schwarzes Schlachtross, ein dunkles Spiegelbild des Einhorns, das er selbst in Camelot ritt. Wenn es diesem Tier
auch nur annähernd ähnelte, dann würde es seinen Befehlen wahrscheinlich gar nicht gehorchen.
Stunde um Stunde ritten sie durch den Elfenbeinwald.
Die Dunkelelben und ihre Tiere schienen das Wort Erschöpfung ebenso wenig zu kennen, wie sich die Sonne
hoch über ihren Köpfen auch nur einen Deut vom Zenit
wegbewegte. Vielleicht gab es in dieser Welt der Eiben
und Einhörner so etwas wie Zeit gar nicht.
Endlich wurde es weit vor ihnen zwischen den Baumstämmen wieder hell. Sie näherten sich jedoch nicht dem
Waldrand, sondern ritten auf eine große Lichtung hinaus,
vor deren gegenüberliegendem Rand eine Gruppe weiterer
Dunkelelben auf Einhörnern auf sie wartete.
Eine der berittenen Gestalten unterschied sich von den
anderen. Sie war kleiner und deutlich schlanker und statt
einer stachelbesetzten Rüstung mit einem eisernen Drachenschädel trug sie einen schwarzen Mantel und ein Diadem aus nachtfarbenen Diamanten. Morgaine le Faye.
Die Hexe kam ihnen entgegengeritten, begleitet von
zwei besonders großen, breitschultrigen Gestalten in
schwarzen Rüstungen, die vermutlich ihre persönliche
Leibgarde darstellten. Lancelot hatte fast sicher angenommen, auch auf Mordred zu treffen, aber von König
Artus’ Sohn war nichts zu sehen.
Morgaine zügelte ihr Pferd unmittelbar vor ihm, starrte
ihn stumm und hasserfüllt an und wandte sich dann an
seinen Begleiter.
»Das hast du gut gemacht. Ich werde dafür sorgen, dass
du angemessen belohnt wirst. Hat euch jemand gesehen?«
»Ein Junge«, gestand der Dunkelelb. »Sonst niemand.
Es waren Tuata in der Nähe, aber Euer Zauber hat uns
zuverlässig vor ihren Augen verborgen.«
»Nur ein Junge?«, vergewisserte sich Morgaine.
»Er hat mit ihm geredet«, sagte der Dunkelelb. »Ich
weiß nicht, was er ihm verraten hat.«
»Zerbrecht Euch darüber nicht den Kopf.« Morgaine le
Faye machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wer
wird ihm schon glauben? Ein Kind, das Geschichten erzählt, um sich interessant zu machen. Seit hundert Jahren
hat es keiner von uns gewagt, den Elfenbeinwald auch nur
zu betreten. Warum sollten wir den Frieden riskieren, um
einen Jungen zu fangen?«
Sie schüttelte den Kopf, dann wandte sie sich mit veränderter Stimme direkt an Lancelot. »Du dummes, dummes
Kind«, sagte sie, allerdings eher verärgert als wirklich
zornig. »Weißt du eigentlich, was du getan hast? Deinetwegen hätte ein Krieg ausbrechen können!«
»Und das schreckt Euch?« Lancelot wusste selbst nicht,
woher er den Mut zu diesen Worten nahm. Aber vielleicht
war es auch nur Trotz. »Ich dachte, Ihr liebt den Krieg.
Immerhin lasst Ihr nichts unversucht, um Camelot damit
zu überziehen.«
Morgaine blickte ihn einen Herzschlag lang vollkommen
ausdruckslos an, dann beugte sie sich im Sattel vor und
versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. Der Schlag warf
Lancelots Kopf in den Nacken und trieb ihm die Tränen in
die Augen.
»Artus?« Morgaines Stimme wurde schneidend. »Ich
bin gerührt über deine Sorge. Schade, dass ich dich nicht
zurückschicken kann. Ich bin fast versucht es zu tun, nur
damit du siehst, welchen Dienst du deinem heiß geliebten
König erwiesen hast.«
Wie meinte sie das? Lancelot versuchte sich einzureden,
dass Morgaines Worte nur dem einen Zweck dienten, ihn
zu quälen, aber irgendetwas sagte ihm, dass es nicht so
war.
»Und was habt Ihr jetzt vor?«, fragte er, wobei er vergeblich versuchte die Tränen aus seinen Augen wegzublinzeln. »Wenn Ihr mich töten wollt, worauf wartet Ihr
dann noch?«
»Töten?« Morgaine schien Gefallen an dem Gedanken
zu finden, ihrem Gesichtsausdruck nach zu schließen.
Aber dann schüttelte sie den Kopf und ein kaltes Lächeln
breitete sich auf ihren Zügen aus.
»Nein«, sagte sie. »So einfach kann ich es dir nicht machen, fürchte ich.« Sie seufzte. »Und ich hatte so große
Hoffnungen in dich gesetzt. Aber es ist wohl meine
Schuld. Ich hätte wissen müssen, dass ich nicht zu viel von
einem Küchenjungen erwarten darf.«
Lancelot hatte sich trotz aller Mühe nicht gut genug in
der Gewalt, um seine Überraschung vollends zu verbergen.
Morgaine lachte hässlich. »Du hast doch nicht wirklich
gedacht, ich wüsste nicht, wer du bist?«, fragte sie. »Ich
wusste es vom ersten Augenblick an.«
»Warum …?«, murmelte Lancelot.
»– ich nichts gesagt habe?« Morgaine lachte wieder.

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