Gralszauber
Leibwache auch.«
»Leibwache?!« Dulac sah sich erschrocken um. »Wieso
Leibwache? Und was für eine Zofe?«
»Natürlich eine Leibwache.« Gwinneth verdrehte die
Augen. »Ich bin die zukünftige Königin von Camelot.«
Dulac begann den triefhassen Mantel auszuwringen.
»Und woher kommen diese Kleider?«, erkundigte er sich.
»Es sind meine«, antwortete Gwinneth. Auf seine unausgesprochene, aber deutlich in seinen Augen zu lesende
Frage hin zuckte sie im ersten Moment nur die Schultern,
antwortete aber dann doch: »Manchmal … reite ich gerne
abseits des Weges. Oder auch schon einmal ein bisschen
schneller. Kleider wie diese sind einfach praktischer für
solche Zwecke.«
Das mochte sein, aber Dulac blickte trotzdem mit plötzlich gemischten Gefühlen an sich herab. Etwas an den
Kleidern, die er nun trug, war ihm von Anfang an seltsam
vorgekommen und nun wusste er auch, was. Es waren sehr
schöne Kleider und von besserer Qualität, als er sie jemals
besessen hatte. Aber das änderte nichts daran, dass es
Frauenkleider waren …
»Was wird Artus sagen, wenn ich in Euren Kleidern zurückkomme?«, fragte er.
Gwinneth hob die Schultern. »Ich glaube nicht, dass er
es überhaupt bemerkt. Artus hat im Moment wahrlich zu
viel zu tun, um auf meine Kleider zu achten. Und selbst
wenn – was glaubst du, würde er sagen, wenn du stattdessen nichts anhättest?«
Darüber dachte Dulac lieber nicht nach. Nach einem
letzten Zögern schwang er sich in den Sattel. Er glaubte
noch immer nicht, dass seine Rückkehr nach Camelot so
leicht und reibungslos vonstatten gehen würde, wie Gwinneth es sich vorstellte.
Aber er hatte immerhin eine Chance, vielleicht doch
noch so etwas wie eine Heimat zu finden. Mit Gwinneth
auf seiner Seite hatte er das Schlimmste beinahe schon
hinter sich.
Jedenfalls glaubte er das in diesem Moment.
Er hatte Camelot ja noch nicht gesehen.
Gwinneth war tatsächlich mit nicht nur gleich zwei Zofen
gekommen, sondern auch in Begleitung von vier Kriegern,
die ihre Leibwache darstellten. Ihr Anblick sollte Dulac
eigentlich beruhigen, aber er bewirkte eher das Gegenteil.
Früher hatte niemand einen Leibwächter nötig gehabt,
wenn er Camelot verlassen wollte.
Sie ritten so schnell, dass die beiden Zofen ihre liebe
Mühe hatten, nicht zu weit zurückzufallen, brauchten aber
dennoch mehr als eine Stunde, bevor Camelot in Sichtweite kam. Und als es geschah, da erfüllte der Anblick Dulac
mit solchem Entsetzen, dass er sein Pferd mit einem heftigen Ruck am Zügel zum Stehen brachte.
Die Silhouette der Stadt hatte sich verändert. Der große
Turm der Burg wirkte wie angenagt und war um ein gutes
Drittel kürzer geworden. Ein Teil der äußeren Stadtmauer
sah aus, als hätte ein Riese mit einem Hammer darauf herumgeschlagen, und auch etliche Häuser der Stadt waren
beschädigt; einige schienen ganz zertrümmert zu sein.
Er hatte sein Pferd mit einem so heftigen Ruck angehalten, dass Gwinneth ein Stück vorausgeritten war, ehe sie
merkte, dass Dulac nicht mehr an ihrer Seite war. Jetzt ritt
sie in einem engen Bogen zurück und lenkte ihr Tier wieder an Dulacs Seite.
»Was ist los mit dir?«, fragte sie.
Dulac hob den Arm und deutete mit einer zitternden
Hand auf Camelot. Er hatte Mühe, überhaupt zu sprechen.
»Was … was ist denn hier … passiert?«, presste er hervor.
»Das Erdbeben.« Zwischen Gwinneths Brauen erschien
eine steile Falte.
»Erdbeben? Aber … aber was denn für ein … ein Erdbeben?«, murmelte Dulac hilflos.
»Das große Erdbeben, vor vier Wochen«, sagte Gwinneth.
Vor vier Wochen? Dulac starrte sie nun eindeutig entsetzt an. Er schwieg.
»Du hast nichts davon gewusst?« Gwinneth wirkte regelrecht bestürzt. »Du musst ziemlich weit weg gewesen
sein, wenn du wirklich nichts davon gehört hast.«
Weit weg?, dachte Dulac. O ja, er war wirklich weit weg
gewesen. Weiter, als sie sich vermutlich auch nur vorstellen konnte.
Gwinneth machte eine entsprechende Kopfbewegung.
»Komm weiter. Aber mach dich auf einen Schrecken gefasst, wenn du es wirklich nicht gewusst hast. Es sieht
ziemlich schlimm aus.«
Und das war keineswegs über-, sondern allerhöchstens
untertrieben. Je näher sie Camelot kamen, desto mehr Spuren gewaltiger Zerstörungen sah er. Die Stadtmauer war
an keiner Stelle vollkommen zusammengestürzt, aber an
etlichen fast bis auf die Hälfte niedergebrochen. Ein ganzer Abschnitt der überdachten Wehrgänge war einfach
nicht mehr da und auch das Tor,
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