Gran Canaria
Insulaner. Kein Wunder, galt es doch bereits für die Altkanarier, aus fast nichts mehr als nur etwas zu machen. Täglich ratterten die Wassermühlen in den Bergen, zermahlten gebrannte Maiskörner, die in großen Säcken an der Wand lehnten. Ein unscheinbares, beigefarbenes Pulver rieselte heraus, Grundnahrungsmittel eines ganzen Volkes: gofio . Ob aus Gerste, Weizen oder Mais, Gofiomehl war stets verfügbar, lange lagerfähig, universell zu gebrauchen und proteinreich. Es wurde zu Brot und Tortillas verbacken, in Suppen und Soßen verrührt, zu Fisch und Fleisch verzehrt.
Noch heute sind Eintöpfe und Suppen, angereichert mit den Resten anderer Mahlzeiten, das Rückgrat der cocina casera, der kanarischen Hausmannskost, die in einfachen Lokalen gern bestellt wird. Vor allem mittags, also zwischen 13 und 15 Uhr, treffen sich dort die Arbeiter, um preiswert zu essen. Optische Finessen und polierter Service sind dabei unwichtig. Schnell soll’s gehen, das Weißbrot muss frisch, die Größe der Portionen anständig sein. Fisch wird meist a la plancha zubereitet, das heißt im Ganzen einfach auf beiden Seiten in Olivenöl gebraten. Dabei ist es egal, ob nun vieja (Papageifisch) , caballa (Makrele) , sama (Zahnbrasse) oder cherne (Wrack- oder Zackenbarsch) auf der Karte stehen – fangfrisch sind die kanarischen Meerestiere garantiert immer.
Die cocina casera ist auch ein Spiegel der Zeit, als die Kanaren Drehkreuz zwischen den Welten waren. Yams aus Afrika, Süßkartoffeln aus Südamerika, Safran aus der Mancha finden sich auch in aktuellen Gerichten. Der karibische arroz a la cubana – eine Kreation aus Reis, Tomatensoße, gebackenen Bananen und Spiegelei – ist ein beliebtes Essen in einheimischen Lokalen. Nur renommierte Restaurants erlauben es sich dagegen noch, ihren Speiseplan um Traditionsgerichte wie Kresse- und Distelsuppe und carajacas zu bereichern, Gerichte, die oft an die Saison der Zutaten gebunden sind und aufwendig zubereitet werden müssen. Denn auch auf den Kanaren gilt inzwischen das Gebot des schnellen Umsatzes, weshalb in den großen Ferienzentren lieber mit schlechter paella als mit saisonaler, regionaler Küche gute Kasse gemacht wird.
So ausgiebig das Mittagessen genossen wird, so spartanisch ist das Frühstück. Morgens gilt es, die Kühle des Vormittags zum Arbeiten zu nutzen. Da ist vielen schon ein café solo (Espresso) oder cortado (mit etwas Milch) genug, der oft nicht einmal zu Hause, sondern im Stehen in einer Cafeteria hinuntergekippt wird. Beim bocadillo, dem mit Schinken oder Käse belegten Brötchen, das jeder Barmann zubereitet, werden an der Theke kurz die letzten Neuigkeiten ausgetauscht – ta luego, und raus geht’s.
Verirren sich Touristen abends mal in ein einheimisches Restaurant, bleiben sie auch da meist unter sich. Während sich bei uns üblicherweise zwischen 18 und 20 Uhr die Bäuche füllen, nimmt man in Spanien die merienda zu sich, einen Snack aus Tapas beispielsweise, der Appetit auf mehr zu späterer Stunde macht. Erst zwischen 21 und 22 Uhr, wenn die Temperaturen wieder angenehm sind, kommen die Canarios im Kreise der Familie zum gemeinsamen Abendessen zusammen.
In guten Lokalen bekommen Sie kanarische Spezialitäten mit langer Tradition. Cherne al cilantro (Wrackbarsch mit Koriander) oder en escabeche (in scharfer Tunke), conejo en salmorejo (Kaninchen in Lorbeerbeize) und baifito en adobo (Zicklein in Knoblauchsoße) sind traditionelle Gerichte der kanarischen Küche, die Sie versuchen sollten.
Der Küchenchef des Restaurants Las Grutas de Artiles in Santa Brígida, das die beste traditionelle Küche Gran Canarias bietet, macht sich noch in die östliche Weinregion der Insel auf, um sich rechtzeitig zu Erntebeginn einige Fässer des ausgezeichneten Del Monte zu sichern. Gran Canarias Wein begeisterte einmal die Königshäuser Europas und treibt noch immer manchem Kenner Tränen in die Augen, auch wenn Spaniens Festlandsweine längst die Vorherrschaft übernommen haben. Zum Wein schmeckt der kanarische Käse, den es in unzähligen Sorten gibt. Er stammt aus der Rohmilch von Ziegen, Schafen oder Kühen oder von einer Mischung aus allen drei Sorten. Drei Reifegrade werden unterschieden: tierno (frisch, zart), semicurado (halbreif) und curado (reif). Ungewöhnlich ist vor allem der queso de flor, den die Beigabe von Distelsaft zum originellsten Käse der Kanaren macht.
adobo – scharfe Beize aus Öl, Essig, Lorbeer, Kräutern, Weißwein, Paprika, Knoblauch
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