Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gran Reserva

Gran Reserva

Titel: Gran Reserva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
Vom Netzwerk:
Brief geschrieben, in dem er vor dem Attentat warnte, aber nicht den potenziellen Täter nannte. Ich habe mich gefragt, warum er sich für diesen Weg entschieden hatte. Warum er den Attentäter schützte, obwohl er offensichtlich selbst um sein Leben fürchtete?« Max blickte dem alten Mann fest in die Augen. »Weil er dich liebte, Iker, und er deine Beweggründe trotz allem verstand. Aber das wurde mir erst heute klar, als ich die Liebe in Cristinas Augen sah, die Liebe und das Leid. Sie liegen so nah beieinander. Da wusste ich, sie wollte dich stets schützen, Iker, nie sich selbst. Auch die Herzlichkeit, mit der Cristina Escovedos Witwe umarmt hatte, ergab plötzlich Sinn. Ihr kanntet euch von früher, oder?« Max blickte zu Cristina. »Aber Alejandro hast du nicht erkannt, weil er früher keinen Bart trug und der Tod sein Gesicht entstellt hatte?«
    »Ja. Und weil er viel schlanker war«, sagte Cristina und wischte sich die Tränen von den Wangen, doch es flossen sofort neue nach. »Früher glich Alejandro einem wunderschönen Heißluftballon. Als Kind habe ich immer so gern in seinen Bauch geboxt«, sagte sie mit einem sanften Lächeln.
    Iker blickte seine Hand an. »Alejandro sagte: Wenn du auf ihn zielst, dann denk an mich, und tu es nicht, ich flehe dich an. Ansonsten bist du nicht besser als er. Und du bist so viel besser als er!«
    »Und als du jetzt auf den König gezielt hast?«, fragte Max und folgte mit den Augen der Schusslinie, die die Patrone zurückgelegt hatte. »Warum hast du dich entschieden, die Waffe auf Pickering zu richten?«
    »Da hörte ich seine Worte wieder. Dabei war ich so entschlossen, Pepe zu rächen! Aber nun ist nur Alejandro wegen meiner Rachegelüste gestorben. Mein alter, guter Freund.« Ikers Lippen zitterten. »Einen besseren konnte sich niemand wünschen. Ich wollte das nicht, Max. Aber Alejandro hatte vor, zur Polizei zu gehen und ihnen von meinem Plan zu erzählen. Weißt du, was das bedeutet hätte? Für mich? Für Cristina? Für unsere ganze Familie?«
    »Aber das Gleiche wäre doch geschehen, wenn du heute den König erschossen hättest.«
    »Aber dann wäre es für eine gute Sache gewesen, Max. Ganz Spanien hätte erfahren, was er meinem Pepe angetan hat. Jetzt bin ich nur ein alter Narr, der seinen Freund erschlagen hat. Für nichts und wieder nichts.«
    »An dem Tag, als Alejandro erschlagen wurde, hattest du Dienst bei Faustino, nicht wahr?«
    »So war es. Ich wollte Alejandro zeigen, wo ich plante, den König zu erschießen – und wie er mir dabei helfen konnte. Still und heimlich ließ ich ihn durch die Seitentür rein, deshalb wusste auch keiner, dass er da war. Doch Alejandro wollte mich nicht unterstützen, sondern mich davon abhalten. Meine Wut darüber, dass er , gerade er mich nicht verstand, war übermächtig. Und dass er , der einzige Mensch, dem ich es anvertraut hatte, mich verraten wollte. Ich hatte mich so betrogen gefühlt. Sagst du es der Polizei?«
    »Nein. Das ist deine Sache, Iker. Ich bin nur ein zufälliger Besucher. Und die Sache ist für mich beendet. Ich glaube, wir werden beim Königsmahl erwartet.«
    Von der anderen Seite des Ganges winkte Ines Sastre ihnen hektisch zu.
    Cristina drückte sich an Max, ihr Mund ganz nah an seinem Ohr. »Du weißt, dass mein Großvater nichts mit dem Mord an Pepe Salinas zu tun hat, oder?«
    »Ja. Alejandro hat er im Affekt getötet. Aber Iker hat heute bewiesen, dass er zu einem geplanten Mord gar nicht fähig ist.«
    »Und was glaubst du, wer es war?«
    »Warte eine Sekunde.« Max gab Cristina einen zärtlichen Kuss auf die Wange und rannte den ganzen Weg zu dem großen Einsatzwagen auf dem Vorplatz der Bodega, wo Emilio Valdés gerade Timothy Pickering in die Mangel nahm. Valdés brüllte so laut, dass er Max gar nicht bemerkte, bis er sich räusperte.
    »Kann ich Sie kurz sprechen?«
    »Geht gerade nicht, sehen Sie doch! Ich bin mitten in einem Verhör.«
    »Glauben Sie mir, Sie werden es nicht bereuen, ich habe Ihnen etwas Wichtiges zu sagen.«
    Valdés schnaufte genervt, seine Muskelberge spannten sich. »Lassen Sie uns kurz ein paar Schritte gehen.«
    »Nein«, sagte Max. »Ich möchte hier mit Ihnen sprechen. Vor Señor Pickering.«
    »Dann aber schnell.« Valdés blickte demonstrativ auf seine Uhr.
    »Sie haben die Französin nicht gefunden, oder? Die Frau, mit der Pepe Salinas kurz vor seinem Tod verabredet war, die mutmaßliche Mörderin?«
    »Nein, haben wir nicht, sonst wüssten Sie davon. Sonst

Weitere Kostenlose Bücher