Grand Cru
versteift hat. Keinesfalls.«
»Das soll hoffentlich keine Drohung sein, Monsieur Dupuy. Ich werde noch mit der jungen Dame sprechen müssen, die Ihr Klient vergangene Nacht belästigt hat. Vielleicht will sie ja Anzeige erstatten. Und das hätte natürlich Folgen.«
»Wir können uns wohl voll und ganz darauf verlassen, mein lieber
chef de police,
dass Sie die Angelegenheit nach Recht und Gesetz und im besten Interesse von Saint-Denis behandeln. Aber, noch einmal, bitte nehmen Sie die Entschuldigung des jungen Mannes an. Er hat diese Bitte und seinen Dank übrigens auch in einem Brief an Sie formuliert, der in Kopie an Ihren Bürgermeister geht.
Au revoir,
Monsieur.«
Kaum hatte Bruno den Hörer aufgelegt, klingelte das Telefon erneut. Der Tonfall war nicht einmal höflich. »Bruno, hier
brigadier
Lannes. Ich brauche Sie in der Gendarmerie, sofort. Der Brandanschlag scheint aufgeklärt. Duroc hat einen Mann verhaftet, einen Freund von Ihnen, wenn ich richtig verstanden habe.«
29
Duroc hockte auf dem Fensterbrett und grinste triumphierend, als Bruno das Büro betrat. Der
brigadier
hinter Durocs Schreibtisch erhob sich und gab ihm die Hand.
»Wer ist der Festgenommene?«, fragte Bruno. »Und wo ist er jetzt, dieser Freund von mir?«
»In einer der Zellen im Keller«, antwortete Duroc. »Er gehört zum Personal des Forschungsinstituts, das Sie und die
police nationale
ja doch angeblich überprüft haben. Nach meinen Informationen sind Sie offenbar von einem der Angestellten belogen worden, als er behauptete, zur Tatzeit zu Hause gewesen zu sein. Wir haben ihm angeboten, einen Anwalt zu verständigen, doch er wollte lieber zuerst mit Ihnen sprechen. Sein Name ist Thiviers, Gaston Thiviers. Keine Vorstrafen. Ich habe ihn trotzdem eingesperrt.«
»Gaston ist definitiv kein Grüner«, sagte Bruno. »Ein passionierter Jäger, ja. Er hat bei der letzten Wahl für die Chasse-Pêche-Partei kandidiert und hätte es fast zu einem Sitz im Stadtrat geschafft. Was liegt gegen ihn vor? Und von welchen Informationen sprechen Sie? Haben Sie vielleicht einen anonymen Brief erhalten?«
»Meine Informanten gehen Sie nichts an«, entgegnete Duroc und wandte sich mit selbstgefälliger Miene an den
brigadier.
»Es war gar nicht mal so schwer, seiner Frau die Wahrheit zu entlocken. Sie hat der Polizei gegenüber eine Falschaussage gemacht und nun gestanden, dass ihr Mann zur fraglichen Zeit nicht zu Hause war.«
Bruno kniff die Augen zusammen und hätte am liebsten laut aufgestöhnt. Dieser verfluchte Duroc benahm sich wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Als er die Augen wieder aufschlug, merkte er, dass
brigadier
Lannes ihn neugierig betrachtete. »Haben Sie dem etwas hinzuzufügen?«
»Ja, Monsieur. Ich gratuliere, Captaine Duroc hat Gaston tatsächlich bei einer Lüge ertappt. Aber wenn Sie sich bei Madame Geneviève Vuillard von der Bank erkundigen, wird sie Ihnen glaubhaft versichern können, dass der Festgenommene den Brandanschlag nicht verübt haben kann.« Und an Duroc gewandt, fragte er: »Ihnen ist doch bestimmt aufgefallen, dass Madame Thiviers im Rollstuhl sitzt, oder?« Duroc nickte.
»Ihr Mädchenname ist Vuillard. Vor etwa fünf Jahren wurde sie bei einem Autounfall schwerverletzt und ist seitdem gelähmt«, fuhr Bruno fort. »Ihr Bruder, der am Steuer saß, kam dabei ums Leben. Was Sie nun aufgedeckt haben, Duroc, ist ein sehr delikates Familienarrangement. Gaston ist ein guter Ehemann, der sich liebevoll um seine Frau kümmert. Wegen ihrer Behinderung aber kann Gabrielle ihm keine Frau mehr sein. Darum verbringt er ein paar Nächte in der Woche bei seiner verwitweten Schwägerin. Das haben die drei so untereinander ausgemacht. Sie verbringen auch die Ferien gemeinsam und sind zufrieden mit dem, was ist.«
»Davon hat Madame Thiviers nichts erwähnt«, protestierte Duroc. »Im Verhör gab sie schließlich zu, dass ihr Mann die Nacht nicht mit ihr verbracht hat. Sie hat also in ihrer Aussage der Polizei gegenüber die Unwahrheit gesagt, um die Lüge ihres Mannes zu decken.«
Bruno versuchte, sich zu beherrschen. Er hätte Duroc allzu gern gesagt, was er von ihm hielt, aber es wäre ihm nur eine kurze Befriedigung gewesen mit der Folge eines gestörten Arbeitsverhältnisses über Monate. »Können Sie sich etwa nicht vorstellen, dass es ihr peinlich war, einem Fremden zu erklären, wo ihr Mann tatsächlich über Nacht gewesen ist?«, fragte Bruno in bemühtem Umgangston. »Jetzt hat sie bestimmt
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