Grand Cru
Wunsch geschminkt.
Es war dieser Raum, in den François nun Bruno führte. Auf einer langen flachen Zinkwanne mit zwei Wasserhähnen auf der einen und einem Abfluss auf der anderen Seite lag Max' nackter Leichnam.
»Als ich ihm die Haare gekämmt habe, ist mir das hier aufgefallen«, sagte François und zeigte auf eine Verletzung über der Schläfe des Toten. Bruno beugte sich hinab und sah näher hin. Die Haut war aufgeplatzt oder aufgekratzt, das Gewebe darunter geschwollen. Bruno dachte nach. Der Junge hatte stundenlang im gärenden Most gelegen, war dann von Fabiola mit dem Schlauch abgespritzt und später hier im Institut gewaschen worden. Weiß der Himmel, wie sich all dies auf die Wunde ausgewirkt haben mochte.
François hatte eine Zigarette im Mundwinkel, die schon bis zur Hälfte heruntergebrannt war, ohne dass er ein einziges Mal die Asche abgestreift hätte. Als er jetzt den Kopf zur Seite drehte, um Rauch auszustoßen, brach die Asche endlich ab und fiel zu Boden. »Entschuldigung. Aber manche Tote riechen so streng, dass ich lieber eine rauche. - Na, was halten Sie von der Beule da? So ein Mordsding holt man sich doch nicht einfach so.«
Bruno nickte. »Haben Sie die Ärztin verständigt?«
»Sie kennen doch die Rechtslage. Wenn mir an einer Leiche irgendwas verdächtig vorkommt, muss ich zuerst die Polizei rufen.« Er drückte die aufgerauchte Gauloises aus und steckte sich sofort eine neue an. »Ich hab dann auch in der Klinik angerufen und mich mit der Neuen, dieser Fabiola, verbinden lassen. Sie hat ja den Totenschein ausgestellt und eine natürliche Todesursache attestiert. Von ihr habe ich übrigens auch Ihre Büronummer. Auf Ihrem Handy waren Sie nicht zu erreichen. Haben Sie eine andere Nummer?«
»Das ist eine lange Geschichte. Ich erkläre es Ihnen ein andermal. Jetzt wissen Sie ja, wie Sie mich erreichen können«, sagte Bruno. »Wir haben den Jungen zu reanimieren versucht, und vor lauter Aufregung ist uns nichts Verdächtiges aufgefallen. Was meinen Sie, könnte er sich diese Verletzung durch einen Sturz zugezogen haben?«
»Dann müsste er schon aus ziemlicher Höhe gestürzt sein. Mir wurde allerdings gesagt, dass er in ein Weinfass gestiegen, ohnmächtig geworden und erstickt sei. Von einem Knüppel oder so was Ähnlichem scheint mir die Wunde auch nicht zu stammen. Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Da müssen Fachleute ran.«
»Könnte es nach Eintritt des Todes zu einer solchen Verletzung gekommen sein?«, fragte Bruno. »Vielleicht war ich nicht vorsichtig genug, als ich ihn aus dem Fass gezogen und über den Rand gehievt habe. Vielleicht ist er unsanft auf dem Boden gelandet.«
»Fragen Sie mich nicht.« François zuckte mit den Achseln. »Das wird der Pathologe klären.«
Bruno telefonierte gerade mit Jean-Jacques, als Fabiola eintraf. Sie trug op-Handschuhe und rümpfte unter ihrer Gesichtsmaske die Nase, als sie François' Zigarette roch. Das Gesicht der jungen Frau war fast vollständig abgedeckt; umso beeindruckender wirkten ihre großen dunklen Augen und die dichten langen Wimpern. Sie streifte Plastiktüten über die Hände des Toten, nahm dann ein Vergrößerungsglas zur Hand und untersuchte die Wunde.
»Die Ärztin schaut sich die Sache gerade an, Jean-Jacques«, sprach Bruno weiter in sein Handy. »Wann werden Sie hier sein?... Na schön, klingeln Sie kurz durch, wenn Sie in Saint-Denis sind. Ich bin dann in der alten Scheune, wo's passiert ist. Allein werden Sie da kaum hinfinden.«
»In der Wunde stecken Holzsplitter«, sagte Fabiola, als Bruno sein Handy weggesteckt hatte. »Notieren Sie das bitte.«
»Die Kriminaltechniker aus Bergerac -«
»Ich weiß«, fiel sie ihm ins Wort. »Keine Sorge, ich tue nichts, was die Spurenlage verändern könnte. Aber schreiben Sie bitte auf, dass in der Wunde Holzsplitter zu finden sind, vielleicht von einem Schlag auf den Kopf. Trotzdem halte ich an meiner ersten Einschätzung fest: Der Junge ist erstickt. Es kann allerdings sein, dass er vorher, aus welchen Gründen auch immer, das Bewusstsein verloren hat.«
»Könnte ein dummer Unfall dazu geführt haben?«, fragte Bruno.
»Mag sein, ich weiß es nicht. Kopfverletzungen sind ein Fall für sich.« Sie hob die Augenlider des Toten hoch, schaute ihm in Mund und Nasenlöcher und nahm eine systematische Leichenschau vor.
»Fällt Ihnen was an seinem Penis auf?«, fragte François. »Ich wette, der Junge hatte kurz vor seinem Tod noch Sex. Vielleicht raten Sie Ihrem
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