Grand Cru
Kollegen von der Pathologie, sich das mal näher anzusehen.«
Fabiola nickte und schaute mit der Lupe hin.
»Ich glaube, Sie haben recht. Bruno, notieren Sie das bitte auch«, sagte sie und stülpte eine weitere Plastiktüte vorsichtig über die Genitalien des Jungen. Sie spreizte dessen Beine und kam zum nächsten Befund: »Keine Anzeichen auf anale Penetration.« Sie untersuchte die Hände, ohne die Plastikbeutel abzustreifen. »Linke Hand, Fremdmaterial unter den Nägeln von Zeige- und Mittelfinger. Könnte sich um Schamhaare handeln.«
Als sie mit ihrer Inspektion fertig war, stülpte sie einen großen Plastikbeutel über Max' Kopf. »Mehr kann ich im Augenblick nicht tun. Teilen Sie der Kriminaltechnik beziehungsweise dem zuständigen Gerichtsmediziner bitte mit, was mir aufgefallen ist. Meine Karte haben Sie ja. Da es wahrscheinlich zu einer polizeilichen Ermittlung kommen wird, schreibe ich noch einen Bericht für Sie, Bruno. Ich kann nicht ausschließen, dass er unglücklich gestürzt ist und sich dabei die Kopfverletzungen zugezogen hat, halte das aber für ziemlich unwahrscheinlich. Ich tippe auf Fremdeinwirkung.«
»Vielleicht ist es dazu gekommen, als ich ihn aus dem Fass gezogen habe«, sagte Bruno. »Sie waren ja selbst dabei und wissen, was für ein Kraftakt das war.«
Fabiola nickte. »Ja, deshalb muss jetzt geklärt werden, ob die Verletzung
post mortem
erfolgte oder vorher, was nicht einfach sein wird, weil das Opfer ziemlich lange im Wein gelegen hat. Die Fruchtsäure greift das Gewebe an. Die Blutergüsse am Körper sind mindestens zwei oder drei Tage alt, und es scheint, dass der Junge vor kurzem Nasenbluten hatte. Er spielte Rugby, nicht wahr? Das würde einiges erklären.«
Bruno erinnerte sich an die Schlägerei in der Bar. »Noch was?«, fragte er und kritzelte in sein Notizbuch, während sie die Maske vom Gesicht nahm und die Gummihandschuhe abstreifte.
»Ja. Wie François richtig bemerkte, hatte der Junge kurz vor seinem Tod Geschlechtsverkehr, und zwar ziemlich rauhen, möglicherweise unter Wasser, denn Wasser wirkt der natürlichen Produktion von Scheidensekret entgegen. Dass er masturbiert hat, glaube ich nicht. Am Gesäß sind Kratzspuren, die auf eine Partnerin schließen lassen.«
»Gibt es jetzt irgendwelche Hinweise, die erkennen lassen, ob er vor Cresseil oder nach ihm gestorben ist?«, wollte Bruno wissen. »Für das Nachlassgericht wird diese Frage von entscheidender Bedeutung sein.«
»Ja, ich weiß, aber das muss die Gerichtsmedizin klären.« Sie wandte sich an François. »Kompliment«, sagte sie. »Diese Hautreizung wäre nicht vielen aufgefallen. Sind Sie medizinisch geschult?«
»Ich war Sanitäter bei der Marine«, antwortete er und steckte sich wieder eine Zigarette an. »Und da sind mir etliche Leichen zu Gesicht gekommen. Erstaunlich, was die einem so erzählen.«
»Wenn Sie weiter so rauchen, gehören Sie bald selbst zu diesen stummen Erzählern«, entgegnete sie. »Was soll's, geben Sie mir auch mal eine. Ich habe schon seit Jahren keine Disque Bleu mehr geraucht.«
31
Seufzend schaute sich Bruno in der Scheune um. Von dem offenen Fass, aus dem er Max geborgen hatte, stieg ein säuerlicher Geruch auf. Vor der Rückwand häuften sich Schrottteile, die noch aus der Vorkriegszeit zu stammen schienen. Zwei Kriminaltechniker in weißen Overalls machten sich vorsichtig an einem völlig verstaubten Flaschenregal zu schaffen.
»Hier gibt's einiges für Sie zu tun. Mit der Wohnung werden Sie schnell durch sein, die ist ja vorbildlich aufgeräumt«, sagte Jean-Jacques. »Übrigens, der Gerichtsmediziner in Bergerac ist zu demselben Ergebnis gekommen wie Ihre Ärztin. Das Opfer ist zwar erstickt, wurde aber vorher niedergeschlagen. Wenn es also kein Mord war, war es schwere Körperverletzung mit Todesfolge. Wie dem auch sei, jetzt sind wir am Zug und müssen uns nicht länger von diesem
brigadier
herumkommandieren lassen. Totschlag hat Vorrang vor Brandstiftung. Wer sind unsere Verdächtigen? An erster Stelle steht wohl dieser Amerikaner, oder?«
Bruno zuckte mit den Achseln. »Wir werden uns mit Jacqueline unterhalten müssen. Sie war Max' Freundin und weiß wahrscheinlich am ehesten, was er in seinen letzten Stunden getrieben hat. Und wenn er tatsächlich kurz vor seinem Tod Geschlechtsverkehr hatte, dann wohl mit ihr.
Wir sollten auch mit Dominique sprechen und Alphonse fragen, wo sich der Junge in den letzten Tagen aufgehalten hat. Außerdem muss ich mir
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