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Granger Ann - Varady - 01

Titel: Granger Ann - Varady - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nur der Tod ist ohne Makel
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vortäuschenden
schmalen Händen herum und machte Anstalten, zum Haus
zurückzukehren. Erst als der Stuhl richtig ausgerichtet war,
drückte sie auf einen Knopf, und der kleine Elektromotor
begann zu surren. Sie fuhr langsam über den unebenen Pfad
davon, und ich trottete hinter ihr her, weil der Weg nicht
breit genug war für zwei.
»Ich wünschte«, sagte Ariadne leichthin, als wäre ich ein
ganz gewöhnlicher Besucher, den sie im Garten herumführte, »ich wünschte, Sie hätten das Haus sehen können, als
mein Mann noch am Leben war. Der Garten war damals
noch sehr viel gepflegter.«
Ich beichtete, dass ich herausgefunden hatte, wie das Gestüt Astara entstanden war und woher der Name kam. Ich
wusste nichts über die Lebensdauer von Pferden, doch es
schien unwahrscheinlich, dass das erste Pferd, dieser Hengst
namens Astara, noch hier war. Ich fragte sie, wie viele Fohlen von dem Hengst abstammten und ob eines davon seinen
Namen geerbt habe. Und ob die Pferde hier, ähnlich wie
Rennpferde, Namen basierend auf denen ihrer Eltern erhielten.
»Es hat nur einen Astara gegeben«, sagte sie. »Und nach
dem Unfall wurde er erschossen.«
Ich war so schockiert, dass ich stehen blieb und einen bestürzten Laut von mir gab.
Sie bremste und drehte sich mit fragend erhobenen Augenbrauen zu mir um.
»Astara wurde bei dem Unfall ebenfalls verletzt, leider.«
»Ich verstehe«, sagte ich und fragte, ob er sich ein Bein
gebrochen hatte. Soweit ich wusste, wurden Pferde erschossen, die sich ein Bein brachen.
»Das nicht, doch er war für den Rest seines Lebens gezeichnet und wurde launisch und unberechenbar. Warum
sind Sie so schockiert? Der Tod ist nicht das Schlimmste,
was einem zustoßen kann.« Sie klopfte auf die Armlehne ihres Rollstuhls. »Es gibt Schlimmeres. Wenn ein Pferd, das
einmal so wunderschön war und das man so viele Jahre geliebt hat, nur noch ein unberechenbares Wrack ist – wäre es
da vielleicht besser, sein elendes Leben noch zu verlängern?
Nein! Manchmal ist eine Kugel gnädiger. Ich für meinen
Teil habe mich nie vor dem Tod gefürchtet. Manchmal
denke ich, ich lebe schon viel zu lange. Die Griechen hatten
ein Sprichwort, in dem es heißt, dass diejenigen jung sterben, die von den Göttern geliebt werden. Der Tod erhält die
Schönheit, die Kraft, die Würde und die Unschuld. Das Leben hat seine eigene Art, all das zu zerstören. Wenn etwas
Schönes erst einmal so schwer Schaden genommen hat, dass
es nicht mehr zu retten ist, sollte es besser ganz zerstört
werden.«
Der Elektromotor erwachte surrend zu neuem Leben,
und sie rollte weiter in Richtung auf das Haus zu.
Ich folgte ihr schweigend. Ich wollte ihr hinterher schreien, dass es falsch sei und dass sie nicht begriffen habe, was
das Leben im Grunde genommen bedeute. Dass diese Welt
nicht nur für die Jungen und Schönen und Reichen da sei.
Dass es auf dieser Welt auch einen Platz für solche wie mich
oder Squib oder Edna gebe. Das die gesichtslosen Städteplaner, die beschlossen hatten, unser besetztes Haus abzureißen, genau der gleichen Meinung seien wie sie, Ariadne.
Dass unser Haus nicht gerettet werden könne, weil es nicht
wert sei, erhalten zu werden, dass es bereits zu stark verfallen sei. Doch wir hatten dieses Haus mit all seinem herabfallenden Putz und dem undichten Dach geliebt, und hätten
wir eine Chance bekommen, wir hätten es ganz sicher wieder in Schuss gebracht.
Doch ich wusste, dass Ariadne mir nicht zuhören würde,
falls ich versuchte, das alles zu erklären. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, warum sie mich so ängstigte. War
es der gleiche Grund, aus dem Terry sich geängstigt hatte?
Terry, die hübsche kleine Puppe von Enkeltochter und
Großnichte, dazu bestimmt, alles zu empfangen, was Ariadne und Alastair zu geben hatten. Doch die Puppe war von
ihrem Podest gefallen und zerbrochen, war zu einer scharfgesichtigen, verdorbenen, ungezogenen Göre herangewachsen, nur noch ein »unberechenbares Wrack«, nicht zu heilen
und nicht mehr zu retten.
»Wenn etwas Schönes erst einmal so schwer Schaden genommen hat, dass es nicht mehr zu retten ist, sollte es besser ganz zerstört werden.«
Wie grausam diese Worte klangen. In meinem Kopf
kreisten Gedanken, die mich mit solchem Entsetzen erfüllten, dass ich sie mit aller Macht zu verdrängen suchte. KAPITEL 15 Ariadne aß nicht mit uns zusammen zu Mittag. Ich nahm an, dass sie auf ihrem Zimmer
essen und bis zum Abend ruhen würde.
Alastair und Jamie

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