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Granger Ann - Varady - 01

Titel: Granger Ann - Varady - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nur der Tod ist ohne Makel
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flüsterten wie Verschwörer, als ich das
Esszimmer betrat, und sie reagierten mit aufgesetzter Ausgelassenheit auf mein Erscheinen. Keiner von beiden erwähnte Marcias Besuch auch nur mit einem Wort – genauso wenig wie den von Watkins, dem Anwalt. Vielleicht ließ
sich ein Teil von Alastairs guter Laune damit erklären, dass
es Marcia gelungen war, die Wogen zu glätten. Ich wusste,
dass er vorher wütend auf sie gewesen war. Anscheinend
war es ihr diesmal gelungen, die richtigen Worte zu finden.
»Wir haben eine kleine Überraschung für Sie!«, kicherte
er.
Das gefiel mir überhaupt nicht. Ich sah fragend zu Jamie.
Sein leerer Gesichtsausdruck verschlimmerte meine Vorahnung. Ihr Verhalten ließ vermuten, dass sie einen Streich
ausgeheckt hatten – diese Art von Streich, die für einen
Dritten im Allgemeinen demütigend ist und dem er hilflos
ausgeliefert ist. Es gelang mir nicht, das beunruhigende Gefühl, in diesem Fall der bedauernswerte Dritte zu sein, abzuschütteln.
»Nach dem Essen«, krähte Alastair. »Essen Sie zuerst
auf.« Ein zum Tode Verurteilter bei der Henkersmahlzeit
erhielt gewiss nicht weniger Aufmunterung.
Die Küche auf Astara war ausgezeichnet. Drei warme
Mahlzeiten am Tag, einschließlich Frühstück, und ich war
hungrig. Zum Mittagessen gab es Würstchen in Pfannkuchenteig. Die Würstchen ragten an den Enden aus dem
goldbraunen Teig. Anschließend servierte Ruby Käse und
Biskuits. Eine einfache, aber sättigende Mahlzeit. Nach dem
Essen wäre ich am liebsten auf mein Zimmer gegangen und
hätte eine Siesta gehalten. Doch es sollte nicht sein.
Ruby kam erneut herein, offensichtlich Teil der Verschwörung, und brachte eine Reithose, einen Reiterhut und
Reiterstiefel.
»Die Sachen haben der jungen Theresa gehört«, sagte sie.
»Als ich gesehen habe, dass Ihnen die Gummistiefel passen,
dachte ich, dass Ihnen diese Jodhpurhosen und die Reitstiefel ebenfalls passen müssten.«
Ich schluckte mühsam, als mir dämmerte, was sie im
Schilde führten.
»Wir können Sie doch unmöglich abreisen lassen, ohne
Sie vorher auf ein Pferd gesetzt zu haben«, sagte Alastair
herzlich. »Kelly wird die gute alte Dolly für Sie satteln. Dolly
ist fromm wie ein Lamm. Jamie wird mit Ihnen kommen
und Ihnen ein wenig von der Gegend zeigen. Man muss sie
vom Rücken eines Pferdes aus sehen.«
Ich wollte mir die Landschaft nicht von Jamie zeigen lassen, und ich wollte sie erst recht nicht auf dem Rücken eines
Pferdes kennen lernen, doch Widerstand war eindeutig
zwecklos.
Eingezwängt in Terrys Reitkleidung (die Stiefel drückten,
die Hosen saßen wie eine zweite Haut) stakste ich in Begleitung meiner beiden Wohltäter nach draußen auf den Hof vor
den Stallungen. Jamie sah fantastisch aus in seinen Reitsachen.
Großmutter Varady und all meine ungarischen Husarenvorfahren hätten ihn als Schwiegersohn ohne Zweifel gutgeheißen. Ich wusste nicht, wo Ganesh steckte, und hoffte inbrünstig, dass er nicht in der Gegend umherwanderte – teilweise,
weil er entdeckt werden konnte, und teilweise, weil ich befürchtete, dass er mich in diesen albernen Klamotten sah.
Kelly wartete auf dem Hof. Sie hielt eine graue Stute am
Zügel. Sie lächelte nicht. Ich war noch immer ihre Rivalin,
und es schien plötzlich durchaus möglich, dass sie bei dieser
Gelegenheit Rache würde nehmen können.
Dolly, die alte Stute, schien halb zu schlafen, was mir ein
wenig Mut machte. Sie hatte die Augen geschlossen und einen Hinterhuf in Ruheposition auf der Spitze aufgestützt.
Meine Erleichterung, so klein sie auch gewesen sein mochte,
verschwand beim Anblick von Joey Lundy, der mit einem
hässlichen Grinsen auf den abstoßenden Gesichtszügen im
Hintergrund lauerte.
»Da wären wir, meine Liebe!«, rief Alastair überschwänglich und tätschelte dem Pferd den Hals. »Helfen Sie der Lady in den Sattel, Lundy!« Dolly öffnete die Augen, und ihre
Ohren zuckten. Wenn ich je ein Pferd gesehen hatte, das
spöttisch grinste, dann dieses hier.
Lundy schlich heran und bückte sich mit verschränkten
Händen. Sie alle standen um mich herum: Kein Fluchtweg
offen. Ich hatte keine andere Wahl, als mich von Lundy in
den Sattel katapultieren zu lassen.
Ich hatte erst ein einziges Mal im Leben auf etwas mit
vier Beinen gesessen, und damals war ich noch sehr klein
gewesen, nicht älter als vier. Es war Sommer, und sie hatten
mich am Strand auf einen Esel gesetzt. Ich schrie Zeter und
Mordio, bis sie mich wieder herunterholten.

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