Granger Ann - Varady - 01
zu stellen. Sie war möglicherweise eine wichtige Zeugin, möglicherweise aber auch
nicht. Ihre einzige Sorge galt den Katzen und dem, was aus
ihnen und ihr werden würde, falls die Bauunternehmer Erfolg hatten in ihren Bemühungen, den Friedhof ebenfalls zu
planieren.
Ich gab Edna alles Wechselgeld, das ich in den Taschen
hatte, und sie ließ es in einer weiteren Falte ihres unförmigen alten Mantels verschwinden.
»Komm wieder, wenn du in der Nähe bist«, lud sie mich
ein, als ich davonging.
*
Squib = Knallfrosch, Dummkopf (Anm. d. Übers.)
Wir erhielten die Genehmigung, unsere Möbel – sofern
man überhaupt von Möbeln sprechen kann – aus dem Haus
zu holen. Wir transportierten sie mit Hilfe von Mr. Patels
Lieferwagen in mehreren Fuhren hinüber in die neue Wohnung. Gemeinsam wuchteten wir die Stücke die schmutzige
Treppe hinauf und stolperten an windgepeitschten Balkonen mit wenig einladenden Türen vorbei. Einige Wohnungen standen leer und waren vernagelt. Andere waren noch
bewohnt und fast genauso gut verbarrikadiert wie mittelalterliche Fluchtburgen. Es sah jedenfalls nicht danach aus, als
herrschten gutnachbarliche Verhältnisse.
Die Wohnung selbst war geräumt und besenrein, trotzdem sah es aus, als sei sie Schauplatz einer bedeutenden
Schlacht gewesen. Die Wände waren voller Löcher und tiefer Kratzer, Teile der Fußleisten waren herausgerissen. Das
Spülbecken in der Küche hing merkwürdig schief; man
konnte nichts auf die Abtropffläche stellen, ohne dass es sofort in das Becken gerutscht wäre.
Squib blickte noch verwirrter drein als üblich. Er wanderte durch die Wohnung, wackelte an lockeren Armaturen
und öffnete Schränke. Schließlich sagte er zufrieden: »Ich
hab’s!«
Wir warteten gespannt auf das, was nun kam – vielleicht
eine pelzige Kreatur, die er in einer Ecke gefunden hatte.
Stattdessen erklärte er triumphierend: »Ich hab’s, Fran!
Es ist die falsche Wohnung! Die Stadtverwaltung hat dir den
falschen Schlüssel gegeben!«
Ich sagte ihm, dass ich wünschte, er hätte Recht. Traurig
dachte ich bei mir, dass dem nicht so war. Trotz aller Trostlosigkeit war dies unser neues Zuhause.
Er schüttelte den Kopf. »Es kann nicht anders sein. Sieh
mal, sie wollen unser Haus abreißen, und es ist noch viel
besser als das hier. Sie müssen sich geirrt haben, Fran!«
Er argumentierte noch eine Weile, und als er die Tatsachen schließlich akzeptierte, wurde er ganz still und betreten
und murmelte leise: »Ich bleib jedenfalls nicht hier!«
Das tat mir weh; immerhin hatte ich ihm großzügig angeboten, unter meinem neuen Dach unterzuschlüpfen. Ausgerechnet Squib war unzufrieden … doch er hatte gesagt,
man hätte ihm einen Platz in einem Wohnheim angeboten,
und er wollte es ausprobieren. Die Polizei hatte ihm gesagt,
dass er dort bleiben müsse, damit sie ihn wiederfinden könne. Wenn das Wohnheim Einwände wegen des Hundes hätte, würde er trotzdem weggehen.
Ich schlug vor, dass die verrückte Edna sich eine Weile
um das Tier kümmern könne, falls Squib es nicht mit in das
Wohnheim nehmen dürfe. Dem Hund würde es auf dem
Friedhof bei Edna und den Katzen gefallen, und obwohl
Edna verrückt war, konnte man sich in dieser Hinsicht
hundertprozentig auf sie verlassen.
Doch Squib dachte nicht im Traum an eine Trennung
von seinem Gefährten, auch nicht vorübergehend. Außerdem hielt er die Katzen für durchaus imstande, einen Hund
in die Enge zu treiben. Er hatte schon Katzen gesehen, die
gemeinsam einen Hund fertig gemacht hatten.
Ich beugte mich über den Balkon und sah ihm hinterher,
wie er über das Ödland zwischen den zum Abriss bestimmten Blocks marschierte, den Rucksack umgehängt, der
Hund immer brav neben ihm.
Euan, den ich mit jedem Tag mehr mochte, hatte versprochen, sich um ein paar zusätzliche Möbel zu bemühen.
Er hatte einen Freund bei der Heilsarmee. Wenigstens gab
es fließend Warmwasser. Es war Ewigkeiten her, dass ich in
einer Unterkunft mit fließend warmem Wasser gewohnt
hatte. Während Nev unser vorhandenes Mobiliar herumschob in dem Versuch, den Ort wohnlich zu gestalten, verbrachte ich eine Stunde mit dem Reinigen des Badezimmers, bevor ich mich schließlich in die Wanne mit dampfend heißem Wasser legte und nichts mehr tat, außer auf die
Risse in der Decke zu starren und auf ein weiteres Loch in
der Wand, wo sich der Toilettenspülkasten zu lösen begann.
Wie sich herausstellte, blieb Nev nur vierundzwanzig
Stunden, bevor seine
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