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Granger Ann - Varady - 01

Titel: Granger Ann - Varady - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nur der Tod ist ohne Makel
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herumschleppte. Sie bekam
Rauch in ein Auge und blinzelte. Ich wusste, dass Edna ihren Tabak normalerweise aus der Gosse und aus Abfalleimern sammelte, und fragte sie: »Wirst du verschwenderisch,
Edna? Kaufst du dir deine Kippen neuerdings in richtigen
Päckchen?«
»Er hat sie verloren«, murmelte sie. »Er hat es nicht bemerkt. Ich hab’s gesehen. Er hat mich nicht gesehen. Er ist
hier durchgekommen.« Sie winkte mit der Zigarette in
Richtung des Weges und der schiefen Pflastersteine zwischen dem hohen Gras.
»Wer, Edna? Wen meinst du?« Es interessierte mich nicht
wirklich, ich wollte mich einfach ein wenig mit ihr unterhalten. Sie schien an diesem Tag einigermaßen ansprechbar.
»’n schicker junger Bursche«, sagte sie. »’n Fremder. Gut
angezogen. Hat seinen Wagen da drüben stehen gelassen
…« Diesmal deutete sie auf eine Freifläche zwischen den
Gebäuden hinter uns, in der Nachbarstraße, zugänglich
durch eine Lücke, die die Leute der Church of the Beauteous
Day freigeräumt hatten, damit Reverend Eli seinen purpurnen Transit dort parken konnte.
»Ich mag keine Fremden. Immer wieder kommen irgendwelche Fremden zu mir und erzählen mir, dass ich weg
muss von hier, dass ich nicht hier bleiben kann. Wo soll ich
denn hin? Was ist mit den Katzen? Ich hab’s ihnen gesagt,
immer wieder, dass ich mich um die Katzen kümmern
muss. Als der Fremde kam, hab ich mich versteckt und ihn
beobachtet. Er hatte nichts Gutes im Sinn.«
Unvermittelt richteten sich meine Nackenhaare auf.
»Woher wusstest du das, Edna?«
»Er sah danach aus. Hat sich von Grabstein zu Grabstein
geschlichen, wollte nicht gesehen werden. War so beschäftigt damit, sich zu verstecken, dass er mich nicht bemerkt
hat. Ich war da drüben.« Sie winkte in Richtung eines wilden Gestrüpps.
Es überraschte mich nicht weiter, dass der Fremde Edna
nicht gesehen hatte. In ihrem schmutzigen Mantel und unförmig, wie sie darin aussah, verschmolz sie perfekt mit ihrer Umgebung. Ich selbst war häufig an ihr vorbeigegangen,
ohne sie zu sehen, und war regelmäßig zu Tode erschrocken, wenn sie mich gegrüßt hatte. Sie besaß die Fähigkeit,
wie die Katzen absolut reglos dazusitzen und zu beobachten.
Ich hatte sie selbst schon so gesehen, umgeben von ihren
Katzen im Gras. Sie blinzelte ihnen zu, und die Katzen blinzelten zurück. Manchmal fragte ich mich, ob die Katzen
vielleicht die Seelen der auf diesem Friedhof begrabenen Toten waren. Jedenfalls überraschte es mich nicht im Geringsten, dass Edna allem Anschein nach imstande war, mit ihnen zu kommunizieren.
»Wann hast du diesen Mann gesehen, Edna?«, fragte ich.
Sie blickte unsicher drein. Die Tage waren alle gleich für sie.
»Muss gestern gewesen sein«, sagte sie schließlich zögernd.
Ich fragte sie, ob gestern Vormittag oder gestern Nachmittag, doch sie erinnerte sich nicht genau. Sie war allerdings nicht vollkommen losgelöst von der normalen Welt.
Unerwartet fragte sie: »Stimmt es, dass sich dieses Mädchen
aufgehängt hat, Liebes?« In den trüben alten Augen sah ich
aufflackerndes Interesse.
»Das stimmt, Edna.«
Sie zog an ihrer Zigarette und starrte ins Leere. Es war
unmöglich zu sagen, was sie von der Sache hielt. Sie schien
weder überrascht noch verängstigt. Selbst ihre Neugier war
befriedigt, jetzt, nachdem ich das Gerücht bestätigt hatte.
Es war hoffnungslos. Vielleicht hatte sie den gleichen
Mann gesehen wie Ganesh, doch wir würden es nie mit Sicherheit wissen.
Unvermittelt wurde Edna wieder munter und beugte sich
vertraulich zu mir vor. »Ich will dir was zeigen!«
Meine Hoffnung erwachte kurz zu neuem Leben. Was
hatte sie sonst noch gefunden? Doch ich hätte es eigentlich
besser wissen müssen.
Sie führte mich in eine Ecke des Friedhofs und zeigte mir
stolz einen neuen Wurf junger Kätzchen, die noch blind,
aber geschützt in einer baufälligen Steingruft miauten. Die
Inschrift auf der Gruft erinnerte an Josiah und Hephzibah
Wilkins, die im Jahre 1819 beide innerhalb einer Woche an
Influenza gestorben waren und zusammen siebzehn Kinder
zurückgelassen hatten. Sie hatten offensichtlich genügend
Geld zurückgelassen, um sich ein hübsches Grab errichten
zu lassen, also denke ich, dass auch die siebzehn Kinder versorgt gewesen waren. Vielleicht haben sich die älteren um
die jüngeren Geschwister gekümmert.
Blieb die Tatsache, dass man von Edna keine vernünftigen Antworten erwarten konnte, falls man überhaupt auf
den Gedanken kam, ihr Fragen

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