Granger Ann - Varady - 01
Street, um unsere Siebensachen aufzusammeln.
Entweder die Polizei oder die Stadtverwaltung hatte den
Hauseingang mit Brettern vernagelt, und wir mussten auf
der Rückseite einbrechen. Wir steckten alles Bewegliche in
schwarze Plastikmüllsäcke und brachten die Säcke zu Ganesh in den Laden, damit er sie in seinem alten Lieferwagen
zu meiner neuen Adresse fuhr. Er konnte nicht direkt los,
deshalb warteten wir, bis er frei hatte. Squib und Nev gingen
ins Pub, und ich machte einen letzten Spaziergang durch die
Nachbarschaft, die ich so gut gekannt hatte – oder vielmehr
das, was die Abrissbagger noch davon übrig gelassen hatten.
Nicht, dass ich in die Ferne gezogen wäre, doch selbst ein
oder zwei Blocks bedeuten ein Weggehen.
Ich spazierte über den Friedhof, als Edna hinter einem
Grabstein hervorsprang wie Magwitch auf der Suche nach
dem nächsten Opfer.
»Wohin denn so eilig, meine Liebe?«, fragte sie.
»Nirgendwohin«, antwortete ich. »Und eilig hab ich’s
auch nicht.« Selbst der Gedanke, dass Edna mich nun nicht
mehr würde überfallen können, stimmte mich traurig. Ich
setzte mich auf ein Grab. Sie setzte sich neben mich und begann in ihrem schmuddeligen Mantel zu kramen. Sie wirkte
irgendwie aufgeregt, wie ein Kind, das einen neuen Trick
gelernt hat und ihn nun zum ersten Mal ausprobieren will.
Schließlich zog sie eine goldfarbene Schachtel Benson & Hedges hervor, sehr sauber und nicht ein Stück zerknittert. Sie hielt die Schachtel vorsichtig in den Händen,
die in ihren fingerlosen Handschuhen steckten, und strich
ein paar Mal beinahe zärtlich mit einem ihrer gelben Fingernägel darüber, bevor sie die Schachtel mit unendlicher
Vorsicht öffnete und mir sehr gastfreundlich eine Zigarette
anbot.
Ich lehnte dankend ab, doch sie hielt mir die goldene
Schachtel weiter unter die Nase, während sie mich prüfend
anstarrte, um ganz sicher zu gehen, dass ich auch wirklich
bemerkt hatte, wie wunderschön ihr Schatz war, auch wenn
es sich nur um Pappe handelte. Sie hätte nicht glücklicher
sein können, wenn es echtes Gold gewesen wäre, und sie
wollte ihre Freude mit mir teilen.
»Sie ist sehr hübsch, Edna«, sagte ich und weigerte mich
standhaft, eine Zigarette anzunehmen.
Sie hatte auch Streichhölzer. Es war eines von jenen kleinen Briefchen, die man in Bars und Restaurants geschenkt
bekommt. Ich sah, wie sie sich mit dem Anzünden abmühte, und bot ihr meine Hilfe an. Ich entzündete das kleine
Papierstreichholz und hielt es unter ihre Zigarette.
Bevor ich ihr das Briefchen zurückgab, las ich den Namen
darauf. Es war ein Weinlokal in Winchester. Edna mochte
nicht, dass ich mich so gründlich mit ihrem Schatz beschäftigte und dass ich ihn so lange in den Händen hielt.
Sie riss ihn wieder an sich.
Streichholzbrief und kostbare goldene Schachtel verschwanden an einem dunklen Ort, über den man besser nicht
nachdachte. Die Handschuhe verbargen die von Rheumatismus geschwollenen Gelenke nicht. Es war gar nicht gut für
die alte Frau, im Freien auf einem Friedhof zu schlafen. Doch
ich wusste, dass jeder, der versuchen würde, sie von hier
wegzuschaffen, eine verdammt schwere Aufgabe vor sich
hatte. Edna gefiel es hier. Weil sie ein wenig streng roch,
rückte ich auf der Grabplatte soweit wie möglich von ihr
weg.
Zwei der Wildkatzen lagen in der Nähe im halbhohen Gras
und beobachteten uns aufmerksam durch halb geschlossene
Augen. Eine weitere hatte sich auf einer anderen Grabplatte
zusammengerollt und schlief. Wo auch immer Edna sich
aufhielt, stets waren ein oder zwei Katzen in ihrer Nähe. Edna
war Mitglied von deren weitverzweigten Familie.
Während Edna glücklich ihre Zigarette paffte, berichtete
ich ihr, dass ich vorübergehend in eine andere Wohnung
ziehen würde.
»Warum kaufen Sie sich kein kleines Häuschen in Chelsea?«, fragte sie. »Chelsea ist ja so interessant! Wundervolle
Partys. Auch wenn einige Leute glauben, das Leben dort sei
ziemlich rasant.« Sie hustete rasselnd – offensichtlich war sie
nicht an solche Mengen frischen Tabaks gewöhnt.
Sie schien sich in ihre Zeit als Debütantin zurückversetzt
zu haben, wann auch immer diese Zeit gewesen sein mochte. Ich hatte keine Ahnung, wie alt Edna war. Sie erschien
mir nur immer unglaublich alt.
Ich erzählte ihr, dass ich von Sozialhilfe lebte und mich
nicht aus der Gemeinde entfernen dürfte. Sie murmelte etwas vor sich hin und begann in den Plastiktaschen zu wühlen, die sie ständig mit sich
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