Granger Ann - Varady - 01
bezweifelte es. Niemand konnte mir irgendetwas sagen, und wenn irgendwer
überhaupt irgendetwas zu sagen gehabt hätte, dann hätte
dieser Jemand eher mit mir als mit der Polizei geredet. Ich
fand sogar Lucy wieder, doch sie wusste ebenfalls nichts. Sie
hatte Terry rein zufällig kennen gelernt und wusste genauso
wenig über sie wie ich. Lucy hatte inzwischen ebenfalls einen Job; sie arbeitete als Tagesmutter. Sie schien glücklich,
und ich freute mich für sie.
Ich hörte und sah nichts von Squib, was mich im Grunde
genommen nicht wirklich überraschte. Auf der anderen Seite war ich im Wohnheim gewesen, und – wenigstens theoretisch – hätte er davon erfahren haben müssen. Ich wollte
wissen, ob es ihm gut ging, ich wollte wissen, was die Polizei
zu ihm gesagt hatte und er zu den Polizisten, und ich wollte
mich noch einmal mit ihm über Terry unterhalten. Squib
war schließlich einer der wenigen Leute außer mir, die Terry
gekannt hatten.
Also ging ich eines Abends nach dem Ende meiner
Schicht wieder zu diesem Wohnheim und hockte mich
draußen vor dem Eingang auf die Steinmauer. Einige Minuten später kam eine Frau heraus. Sie lächelte selbstverständlich, was sonst. Hörten sie jemals auf damit? Sie erkundigte
sich, ob ich etwas brauchte. Ich sagte ihr, dass ich auf Henry
wartete und lehnte ihr Angebot einer guten heißen Mahlzeit
ab, die – nach dem Geruch zu urteilen, der aus der Küche
drang – hauptsächlich aus Kohl bestand.
Sie ließ mich auf meiner harten Sitzgelegenheit zurück.
Die Kälte kroch durch meine Jeans. Ich fürchtete, Hämorrhoiden zu bekommen, und ließ die Beine baumeln, um wenigstens ein bisschen Wärme zu erzeugen. Um mir die Zeit
zu vertreiben, zählte ich in Gedanken meine Lieblingsfilme
in absteigender Reihenfolge auf. Ich hatte das schon häufig
getan. Es dauerte eine ganze Weile, und Zwei glorreiche Halunken stand wie üblich ganz oben.
Der Abend verging, und die Bewohner kehrten einer
nach dem anderen ins Wohnheim und zu ihrer heißen
Mahlzeit aus Kohl zurück. Es waren Penner, deren leere Flaschen sich neben dem Eingang stapelten, Aussteiger und
Junkies und gelegentlich der eine oder andere echte Psycho
mit zuckenden und rollenden Augen, aber kein Squib darunter.
Als es fast dunkel war und ich bereits aufgeben wollte,
kam eine kleine weiße Gestalt aus der Dämmerung auf mich
zugetrottet. Squibs Hund.
Squib selbst tauchte aus den Schatten auf. Ich sprang auf
und wäre ihm fast um den Hals gefallen. Ich kann nicht sagen, dass er genauso freudig reagierte.
»Hallo Fran«, sagte er und wollte sich an mir vorbeischieben.
Ich erzählte ihm, dass ich schon einmal da gewesen sei
und einen Zettel an der Pinnwand für ihn hinterlassen hätte, fragte, ob er ihn nicht gefunden hätte. Er murmelte irgendetwas und wollte weiter, doch ich packte ihn am Ärmel
und hielt ihn fest.
»Hör zu, du hast bestimmt keine Lust auf das, was es
heute Abend da drin zu essen gibt. Ich lade dich zu Spiegelei
und Bratkartoffeln ein. Ich habe Geld.«
»Hunde haben in Cafés keinen Zutritt«, murmelte er.
»Dann kaufe ich uns allen eben Burger am Stand die
Straße runter, für den Hund auch.« Der Imbisswagen war
vor etwa zehn Minuten angekommen, und der Inhaber traf
letzte Vorbereitungen, seinen Imbiss zu öffnen. Rauch stieg
aus der Esse über dem Dach. »Ich hab den ganzen Nachmittag hier gesessen und auf dich gewartet, und mein Hintern
ist ganz taub«, fügte ich hinzu.
Er gab nach, und wir gingen zum Wagen. Wir waren die
ersten Kunden des Abends, und das Essen schmeckte noch
nicht wie Schuhsohle. Ich kaufte Squib und mir selbst einen
Burger mit allem Schnickschnack und für den Hund einen
ohne Zwiebeln, Senf und Gurke. Wir setzten uns unter einer
Straßenlaterne auf eine Bank und aßen.
»Wie geht’s denn so, Squib?«, fragte ich, während ich mir
die Finger ableckte.
»Ich verschwinde bald von hier«, sagte er. »Ich denke, ich
geh wieder auf Wanderschaft.«
»Haben sie dir gesagt, dass du gehen musst?«
»Nein, aber sie mögen ihn nicht.« Er deutete auf seinen
Hund, der seinen Burger hinuntergeschlungen hatte und
nun meinen beäugte. »Und ich mag sie nicht.«
»Was ist mit der Polizei? Sie hat mich ununterbrochen
genervt.«
»Ich muss mich zweimal die Woche bei ihnen melden
und in diesem verdammten Wohnheim bleiben. Ansonsten
lassen sie mich in Ruhe.«
Ich sagte ihm, dass es einfach keine Gerechtigkeit auf der
Welt gebe und man mich ganz und gar nicht in
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