Granger Ann - Varady - 01
einen kurzen Brief an Ganesh, in dem ich ihn bat, den Film bei einem
Express-Service entwickeln zu lassen und auf dem schnellsten Weg zu Inspector Janice zu bringen, weil er untermauerte, was ich beiden am Telefon bereits gesagt hatte. Ich bat
ihn außerdem, sich die Bilder von Jamie genau anzusehen;
vielleicht erkannte er den Fremden wieder, den er an dem
Tag, an dem Terry gestorben war, in unserer Straße gesehen
hatte.
Als ich mit allem fertig war, erhob ich mich und ging
nach unten.
Ich öffnete die Zimmertür und atmete erschrocken ein.
Vor mir stand Mrs. Lundy. Sie hatte an meiner Tür gestanden und wich vor mir zurück, und sie sah so erschrocken und verängstigt aus, dass ich ihr ganz automatisch versicherte: »Schon gut, keine Sorge!«
Sie scharrte verlegen mit den Füßen. »Ich war am Wäscheschrank«, sagte sie.
»Es ist sehr viel Bügelwäsche.« Ich wusste nicht so recht,
was ich mit der armen Frau reden sollte.
Sie schien immer noch zu glauben, dass ich mit ihr
schimpfen wollte, weil sie sich im falschen Teil des Hauses
aufhielt. »Ich bin nach oben gekommen, um alles in den
Wäscheschrank zu legen«, wiederholte sie und sah mich mit
ihrem flachen Gesicht an, bevor sie sich abwandte und davoneilte.
Doch nicht, bevor ich den Grund für die dicke Puderschicht in ihrem Gesicht bemerkt hatte. Die teigigen Züge
darunter waren geschwollen, grün und blau. Joey Lundy war
einer von jenen Mistkerlen, die ihre Ehefrauen verprügelten.
Langsam kehrte ich nach unten in die Küche zurück. Ich
war unglaublich wütend und sehr ruhig zugleich. Ruby saß
am Tisch und genoss still eine Tasse Tee, während sie sich in
einem Frauenmagazin die Rezeptseiten ansah und darauf
wartete, dass ihr eigener Früchtebiskuit im Backofen fertig
wurde.
»Joey verprügelt seine Frau!«, stellte ich fest. »Warum unternimmt niemand etwas dagegen?«
Sie sah von den hübschen Bildern perfekter Kuchen und
komplizierter Desserts auf. »Man darf sich nicht in die Angelegenheiten zwischen Mann und Frau einmischen!«, sagte
sie vorwurfsvoll.
»Blödsinn!«
Sie errötete. »Mr. Alastair hat mit Lundy darüber gesprochen. Lundy ist ein guter Arbeiter.« Sie beugte sich vor.
»Möchten Sie vielleicht, dass Mr. Alastair Lundy rauswirft?«
»Ich hätte ihn schon längst rausgeworfen!«, schimpfte
ich.
»Ja, wahrscheinlich. Und was dann? Er würde dieser armen Kreatur die Schuld geben und es ihr heimzahlen. Sie
würde ihn nicht verlassen. Er würde sie mit sich zerren, wohin auch immer er gehen würde. Es würde noch schlimmer
werden für sie. Mr. Alastair behält die Dinge im Auge. Es
gibt eine Grenze, und Lundy weiß das. Überlassen Sie das
alles Mr. Alastair, meine Liebe.«
Sie hatte Recht, leider. Lucy war intelligent, redegewandt
und jung gewesen, und ihr war es schwer gefallen, sich von
ihrem gewalttätigen Ehemann zu trennen. Mrs. Lundy war
nicht imstande, einen solchen Bruch zu vollziehen. Hier war
die Situation einigermaßen unter Kontrolle. Es war das Beste, was sie sich erhoffen konnte. Ich gestand es mir nur ungern ein, doch es schien keinen anderen Weg zu geben.
Ich fragte Ruby, ob sie Briefmarken und einen Umschlag
habe, vorzugsweise einen stabilen aus braunem Manilapapier. Er müsse nicht neu sein; ich könne die alte Anschrift
einfach durchstreichen.
Doch sie hatte etwas Besseres. Sie gab mir eine kleine gefütterte Versandtasche, und ich kaufte ihr zwei First-ClassBriefmarken ab. Ich verdrückte mich in eine Ecke, steckte
meinen Brief an Ganesh und die Filmpatrone in die Tasche
und klebte sie mit Tesafilm zu. Dann schlüpfte ich aus dem
Haus und ging ein Stück weit die Straße hinunter, wo ich
beim letzten Mal einen Briefkasten bemerkt hatte.
Als ich den Umschlag eingeworfen hatte, spürte ich Erleichterung. Nachdem es meine Hände verlassen hatte und
in den Briefkasten gefallen war, gab es für Jamie keine Möglichkeit mehr, es wieder in seinen Besitz zu bringen, selbst
wenn er herausfand, was es damit auf sich hatte. Es war auf
dem Weg zu Ganesh, und wenn alles nach Plan lief, von
Ganesh zu Inspector Janice.
Als Detektiv wurde ich allmählich besser. Zumindest war
ich besser organisiert.
Morgen würde ich zu Lords Farm gehen. Ich wusste nun,
um welche Zeit die Kühe zum Melken kamen, und ich würde diese Zeit meiden. Ich hoffte, dass Nick Bryant dann
auch noch da war. Ich hatte so ein Gefühl, als könnte ich
mich ein wenig mit ihm unterhalten … und mit seiner Frau
natürlich auch.
Es war
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