Granger Ann - Varady - 01
Cameron. Er meinte,
dass er früh kommen würde, aber ich denke, es ist noch ein
wenig zu früh. Ich glaube nicht, dass sie schon soweit ist.
Warten Sie einen Augenblick, ja?«
Sie beeilte sich, hinaus in die Halle und zum Haupteingang zu kommen.
Watkins war der Name des Anwalts, der in Mrs. Camerons Brief erwähnt wurde. Vielleicht war das Zufall, doch
das hielt ich für unwahrscheinlich. Ich schlich hinter Ruby
her und lauerte in einer dunklen Ecke der Halle hinter einem Hutständer.
»Wenn Sie vielleicht einen Augenblick lang warten würden, Sir?«, sagte Ruby gerade. »Ich laufe nach oben und sehe
nach, ob sie fertig ist. Vielleicht ist auch Mr. Alastair in der
Nähe.«
»Schon gut, nur keine Umstände«, sagte eine dunkle,
düstere Stimme. »Ich warte einfach so lange im Wohnzimmer, und falls Mrs. Cameron noch nicht bereit ist, mich zu
empfangen, gehe ich nach draußen und sehe mich ein wenig
bei den Ställen um.«
Ruby stampfte die Treppe hinauf. Leises Schlurfen und
Atmen verrieten mir, dass Watkins in das Zimmer ging, in
das Jamie mich bei meiner Ankunft geführt hatte.
Ich streckte den Kopf hinter dem Hutständer hervor. Die
Halle war leer, doch die Tür zum Wohnzimmer stand offen.
Vorsichtig schlich ich hin und spähte hinein.
Er stand am Kamin, mit dem Rücken zu mir, und rückte
die Bilder auf dem Sims pedantisch genau und, wie ich fand,
ein wenig anmaßend zurecht. Selbst aus diesem Blickwinkel
erkannte ich den bleichen Mann wieder, mit dem Jamie am
Vortag gegessen hatte.
Wie das Pech es wollte, blickte er in diesem Augenblick
auf, nachdem er alles neu ausgerichtet hatte, und hinauf in
den Spiegel über dem Kamin. Ich sprang zurück hinter den
Türpfosten, doch es war zu spät. Seine bleichen Gesichtszüge erstarrten, und er drehte sich um.
»Wer ist da? Kommen Sie heraus!«
Ich trottete so unbefangen in das Zimmer, wie ich nur
konnte. »Verzeihung. Ich wollte nicht stören. Ich bin nur hergekommen, um Zeitung zu lesen.«
Er sah sich mit erhobenen Augenbrauen um. »Ich sehe
nirgendwo eine Zeitung.«
»Dann wird Alastair sie noch haben. Er hat beim Frühstück darin gelesen.«
Watkins musterte mich noch immer voller Argwohn. Vielleicht war es auch sein normaler Gesichtsausdruck. »Sind Sie
die junge Frau, die aus London hierher gekommen ist?«
Jamie schien ihm von mir erzählt zu haben. Ich bejahte
die Frage.
»Ich verstehe«, sagte er und sah irgendwie verwirrt aus.
»Sind wir uns rein zufällig schon einmal begegnet?«
Ich sagte ihm. dass ich das für unwahrscheinlich hielt,
doch innerlich fluchte ich. Jamie mochte gestern bei seinem
Treffen mit Watkins im Beneath the Arches zu sehr abgelenkt gewesen sein, um mich zu bemerken, als ich aus dem
Lokal schlich. Doch Watkins gehörte offensichtlich zu der
Sorte von Menschen, denen kaum etwas entging und die
ohne Zweifel über eine Art fotografisches Gedächtnis verfügten. Irgendwo in seinem Unterbewusstsein ruhte ein Bild
mit meinem Gesicht darauf, und früher oder später würde
er es mit einem Ort in Zusammenhang bringen.
»Bitte verzeihen Sie, aber Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.«
»Viele Frauen sehen aus wie ich«, entgegnete ich
schwach.
»Tatsächlich?« Er hatte seine Zweifel. Er zog eine Uhr aus
einer Westentasche und sah darauf. Seine Zeit war Geld.
»Ich bin eigentlich recht froh über eine Gelegenheit, mich
mit Ihnen zu unterhalten.« Er steckte die Uhr weg. »Haben
Sie ein wenig Zeit?«
Ich setzte an zu erklären, dass ich eigentlich auf dem Weg
nach draußen gewesen sei, doch etwas an seinem bleichen
Gesicht und seiner professionellen Art entkräftete jeglichen
Einwand. Ich sagte, dass ich mir ein paar Minuten nehmen
könne.
»Gut. Vielleicht wären Sie noch so freundlich, die Tür zu
schließen!«
Ich kam seiner Bitte nach und hockte mich auf die vorderste Kante eines Sessels. Er besaß jene Art von Ausstrahlung, die es einem unmöglich macht, sich zurückzulehnen
und zu entspannen.
Er setzte sich ebenfalls, vorsichtig, als könnte der Sessel
unter ihm plötzlich nachgeben, und zog die Beine seiner
glänzenden Hosen hoch. Darunter kam ein Spalt totenbleicher weißer Haut zum Vorschein, gefolgt von verwaschenen
Wollsocken. Er legte die Spitzen der knochigen Finger aneinander. »Wenn ich recht informiert bin, gehören Sie zu
dieser Gruppe junger Leute, die gemeinsam mit Miss
Monkton in London ein Haus besetzt hatten.«
»Gemeinsam mit Terry, ja.«
»Die Polizei hat selbstverständlich bereits mit Ihnen
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