Granger Ann - Varady - 02
andere Idee.
Falls Merv und Baz dieses Gebäude als sicheres Versteck
benutzten, zu dem sie mich ohne Gefahr entdeckt zu werden bringen konnten, dann hielten sie vielleicht auch Lauren hier versteckt. Ich würde bestimmt keine zweite Chance
dazu erhalten. Für einen unbestimmten Zeitraum hatte ich
das Haus für mich allein, es sei denn, es gab eine zweite Gefangene.
Ich schlich die Treppe hinauf und gelangte zum nächsten
Stock. In diesem Augenblick meinte ich, gedämpftes
Stimmengemurmel zu hören. War ich doch nicht allein? Ich
zögerte und wandte mich halb zur Flucht. Dann wurden die
Stimmen von lauter Musik und dem Quietschen von Autoreifen übertönt. Irgendwo in diesem scheinbar verlassenen
Schutthaufen lief ein Fernseher.
Mir wurde klar, dass ich möglicherweise in Merv und Baz
rennen würde, die eine Pause eingelegt hatten, wenn ich
weiter auf Erkundung ging. Doch das war ein Risiko, das ich
eingehen musste. Der Grundriss hier oben folgte dem gleichen Muster wie unten. Die Bürotüren standen offen und
gaben den Blick frei auf verlassene Innenräume in schrecklichem Zustand. Eine Tür führte in einen Waschraum mit
Toiletten, und auf einem Regal über den Waschbecken
stand ein Sammelsurium an Toilettenartikeln, Seife, Handcreme und Zahnpasta.
Am anderen Ende des Korridors und mir zugewandt befand sich eine Tür mit einer schmalen Scheibe aus gehärtetem Glas darin. Sie war geschlossen. Ich war mir jedoch fast
sicher, dass das Geräusch des Fernsehers von dort kam.
Ich schlich durch den Korridor auf die Tür zu. Glücklicherweise war der Fernseher recht laut gestellt, und es lief
gerade irgendeine Verfolgungsjagd. Das Reifenquietschen
und die hektische Musik waren lauter geworden, und nun
ertönten Schüsse. Der oder die Zuschauer konnten mich
nicht hören.
Ich erreichte die Tür und blieb stehen, um meinen nächsten Schritt zu überlegen. Ich durfte die Tür nicht einfach
öffnen – nicht ohne zu wissen, was dahinter lag. Vielleicht
war ich ja auch gar nicht im Stande, sie zu öffnen. Im
Schloss steckte jedenfalls kein Schlüssel.
Ich presste mein Gesicht ganz nah an die Glasscheibe. Der
Schmutz und das in das Glas eingelassene Drahtgitter behinderten meine Sicht. Ich nahm meinen Mut zusammen,
hauchte die Scheibe an und begann zu wischen. Ein kleiner
Fleck wurde durchsichtiger.
Das Erste, was ich sah, war der Fernsehschirm. Er flimmerte wild, und die Musik war ohrenbetäubend. Der Film
ging dem Ende zu; es gab einen riesigen Haufen schrottreifer Wagen und jede Menge Gestalten, die hin und her rannten. Dann lief der Abspann über den Schirm.
Ich hörte, wie ein Stuhl gerückt wurde, und dann bewegte
sich jemand vor meinem Blickfeld durch das Guckloch.
Statt des Fernsehers sah ich, wie sich jemand in Jeans bückte, um das Gerät abzuschalten. Es waren weder Merv noch
Baz, so viel war sicher. Die Gestalt war zu klein und zu
schlank.
Der Lärm der Glotze verebbte, die Person im Zimmer
richtete sich auf und wandte sich zur Tür um. Ich duckte
mich hastig, bevor sie meine Silhouette im Glas entdecken
konnte.
Es war nämlich definitiv eine »sie«. Ich hatte sie nur einen
kurzen Augenblick lang gesehen, doch das war genug. Es
war Lauren Szabo.
Ich trat von der Tür zurück und überlegte, was ich nun
tun sollte. Aus dem Gebäude flüchten und Parry alarmieren,
war eine Möglichkeit. Aber falls Merv und Baz zurückkamen und feststellten, dass ich verschwunden war, würden
sie Lauren auf der Stelle woanders hinbringen. Ich musste
sie mitnehmen.
Ich hörte, wie sie sich durch das Zimmer bewegte und
spähte erneut durch den sauberen Fleck in der Scheibe. Sie
war nicht zu sehen. Aber ich sah auch niemanden sonst. Ich
war ziemlich sicher, dass sie sich allein dort drinnen aufhielt.
Ich hob die Hand, klopfte gegen das Glas und rief, so laut
ich es wagte: »Lauren?«
Im Zimmer hinter der Tür hörte ich einen erschrockener
Laut, gefolgt von leisem Murmeln. Sie kam in Sicht, rannte
auf die Tür zu, dass die langen Haare flogen, und mit einem
Ausdruck im Gesicht, der mir alles verriet: Bestürzung, Entsetzen, Überraschung und Ärger, doch keine Erleichterung.
Keine Hoffnung oder Freude darüber, dass man sie gefunden hatte, dass endlich Hilfe gekommen war.
Ich hatte nicht die Zeit, mich über meine eigene Dummheit aufzuregen, doch ich begriff es in demselben Augenblick, indem die Tür von innen aufgerissen wurde. Da
schau, Fran , dachte ich elend, die blöde Tür ist überhaupt
nicht
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