Granger Ann - Varady - 02
die dem Lärm nach zu
urteilen das Stockwerk erreicht hatten, von dem wir gerade
kamen, und jeden Augenblick herausfinden würden, dass
Lauren ebenfalls verschwunden war.
Ich entdeckte ein Schild an der Wand mit der Aufschrift
NOTAUSGANG und einem Pfeil, der nach oben wies. Diese
Treppe sah nicht aus wie die anderen, sondern sie war
schmal und schlecht beleuchtet. Wir hatten keine andere
Wahl. Ich rannte die Treppe hinauf, Lauren zerrte ich immer noch hinter mir her.
Oben wurde unser Weg von einer eisernen Feuertür versperrt. »Los, hilf mir!«, ächzte ich.
Wir kämpften mit dem Riegel, und es gelang uns, ihn zu
lösen. Die Tür öffnete sich quietschend nach außen. Eine Bö
frischer kalter Luft traf uns, als wir nach draußen stolperten
und uns auf dem Dach wieder fanden.
Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie spät es unterdessen geworden war. Es dämmerte bereits, und ein grauer
Schleier hing über der Stadt ringsum. Das Dach selbst war
flach und besaß eine umlaufende hüfthohe Brüstung. Wir
waren durch eine flache Betonkonstruktion nach draußen
getreten, die aussah wie eine primitive Hütte. Es war das
einzige Gebilde hier oben mit Ausnahme eines weiteren,
ähnlichen Kastens über dem Schacht mit den stillgelegten
Aufzügen. Ringsum verstreut befand sich eine Reihe von
Metallabdeckungen mit Belüftungsschächten darunter. In
der zunehmenden Dämmerung sahen sie aus wie Riesenpilze. Der Wind raste ungehindert und sehr böig über die freie
Fläche; es war kalt, sehr kalt sogar. Es musste einen Weg
nach unten geben, sonst wäre es kein Notausgang gewesen.
Ich rannte an der Brüstung entlang zu einem Paar eiserner Handgriffe, die in das Mauerwerk eingelassen waren,
und sah hinunter.
Der heimtückische Wind fuhr in meine Haare und wehte
sie mir ins Gesicht. Die Welt vor meinen Augen schien von
einer Seite zur anderen zu schwanken, keine besonders angenehme Erfahrung. Ich kniff die Augen zusammen und
öffnete sie wieder. Auf der anderen Seite der Brüstung führte eine eiserne Sprossenleiter zum darunter liegenden
Stockwerk. Die Leiter war mit einem runden Käfig gesichert, damit die Flüchtenden nicht von der Treppe stürzen
konnten, während sie die oberen Sprossen überwanden, um
in Sicherheit zu klettern. Der Metallkäfig sah längst nicht
mehr vertrauenerweckend aus und hatte höchstens noch eine psychologische Wirkung. Die unteren Stufen besaßen
nicht einmal mehr diese vorbeugende Sicherungseinrichtung. Die Leiter endete auf einer metallenen Plattform gegenüber einem Fenster auf dem darunter liegenden Stockwerk. Von dort führte eine Eisentreppe in Etappen Stockwerk um Stockwerk weiter nach unten, von Fensterplattform zu Fensterplattform, bis sie unten in einer düsteren,
verlassenen Gasse an der Seite des Gebäudes den Boden erreichte.
Mir wurde schon bei dem Gedanken schwindlig, dort hinunterzuklettern, doch die Vorstellung, Baz in die Hände zu
fallen, war noch schlimmer. Die Eisenleiter war mit rostigen
Bolzen an der Brüstung verankert und der Beton ringsum
braun verfärbt. Trotzdem ließ sie sich nicht ein Iota bewegen,
als ich die Griffe packte und daran rüttelte. Wir mussten das
Risiko eingehen. Ich rief Lauren zu mir.
»Scheiße!«, meinte sie. »Da steige ich bestimmt nicht
runter!«
»Wie du meinst«, erwiderte ich. Ich hatte inzwischen mehr
als genug von ihr. »Bleib meinetwegen hier und warte, bis
Merv dich über die Brüstung wirft!«
»Vielleicht sollte ich das wirklich tun«, giftete sie zurück.
»Sieh dir das Ding doch an!« Sie deutete auf den Schutzkäfig. »Da braucht sich doch bloß eine Katze draufzusetzen,
und der alte Schrott fällt von der Wand!«
»Zugegeben. Aber die Leiter ist noch stabil. Du musst
nichts weiter tun, als zu dieser Plattform hinunterzuklettern, siehst du? Von da an führt eine richtige Eisentreppe
nach unten.«
»Die sieht genauso baufällig aus«, brummte sie.
Ich musste ihr Recht geben, und je länger ich dort stand
und mit ihr stritt, desto weniger gefiel mir die Idee. Es hieß
jetzt oder nie, bevor ich den Mut endgültig verlor.
Ich packte die Griffe, richtete den Blick entschlossen auf die
Betonwand und kletterte über die Brüstung. Mit den Zehen
tastete ich nach den Sprossen. Sie waren dünn und ziemlich
verrostet und federten unter meinen Füßen, während ich versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Der Wind peitschte wütender und noch kälter auf mich ein als oben auf dem Dach. Er
nahm mir den Atem, fegte ihn aus meiner Nase
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