Granger Ann - Varady - 02
schwitzende Spaßmacher jeden
Augenblick gebeten werden würde, seinen Auftritt zu verkürzen und zu verschwinden, solange dies noch im Guten
möglich war. Ich fragte mich, ob er seine Gage erhalten
würde, doch ich bezweifelte es. Er tat mir Leid, weil er – genau wie ich – wahrscheinlich jemand war, der sich abstrampelte, um nach oben zu kommen und in die Riege der Offiziellen aufgenommen zu werden.
»Komm schon«, forderte Ganesh, der die Stimmung in
der Kneipe richtig einschätzte, mich auf, »lass uns verschwinden, bevor sie anfangen, mit Sachen zu werfen!«
Wir verließen das Lokal wieder und suchten weiter nach
Informationen. Mir war durchaus bewusst, dass es – gelinde
ausgedrückt – unhöflich war, jemanden zu stören, der sich
gerade in einen Schlafsack gehüllt oder unter einem Stapel
alter Zeitungen oder Kleidung hingelegt hatte, doch ich fand
rasch heraus, dass es auch nicht ganz ungefährlich war. Einen
Schlafenden an der Schulter zu rütteln endete rasch damit,
dass eine Faust aus dem zusammengekauerten Bündel schoss.
Wir hatten auch nicht bedacht, dass viele Obdachlose einen
Hund hielten, um sich zu schützen. Ein Zusammenstoß mit
einem großen und äußerst unfreundlichen Dobermann erinnerte uns daran. Das Tier entschied sich, Gan anzugreifen
und nicht mich – sehr zu meiner Erleichterung und Ganeshs
Bestürzung. Ganesh entkam mit einer nur leicht mitgenommenen Jeans und einem besonders geschärften Sinn für aufmerksam wachende Hunde. Sobald wir uns einem näherten,
stieß Gan einen Warnruf aus, lange bevor ich den fraglichen
Köter überhaupt wahrgenommen hatte.
Am besten kamen wir zurecht, wie wir bald merkten,
wenn wir einen guten Sicherheitsabstand von dem fraglichen
Hauseingang oder der Seitengasse hielten und unsere Fragen
hineinriefen. Leider – und verständlicherweise – mochten es
die Bewohner dieser abgelegenen Plätzchen überhaupt nicht,
wenn man ihnen Fragen stellte, ganz besonders nicht, wenn
sich diese Fragen auf einen der ihren bezogen. Meine höflichen Erkundigungen betreffend Albies Aufenthaltsort brachten mich nirgendwohin. »Nie gehört den Namen!«, lautete die
häufigste Antwort, gefolgt von: »Verpisst euch!« oder der einen oder anderen Variante davon. Manchmal wurden wir
bespuckt, und einmal warf der Bewohner eines Hauseingangs eine leere Bierdose nach mir. Sie verfehlte mich nur
um Haaresbreite, schepperte laut zu Boden und rollte ebenso lautstark in den Rinnstein.
»Hätte schlimmer sein können«, meinte ich zu Ganesh,
entschlossen, es von der freundlichen Seite zu sehen. Ganesh hatte sich von Anfang an nicht für die Idee begeistert
und war seit dem Zwischenfall mit dem Hund noch weniger
dafür. Es war meine Aufgabe, uns voranzutreiben und nicht
den Schwung verlieren zu lassen. »Hätte eine Flasche sein
können.«
»Hätte ein Messer sein können«, brummte Ganesh, der
die Dinge vorzugsweise von der unfreundlichsten Seite
sieht. Er ließ sich immer weiter zurückfallen und überließ
mir mit Freuden den Vortritt bei jedem neuen Nachtlager.
»Oder hast du daran noch nicht gedacht?«
Hatte ich tatsächlich nicht, doch von nun an würde ich es
bestimmt nicht mehr vergessen.
Ich näherte mich dem nächsten Lager mit gebührender
Vorsicht. Es war ein schmaler Durchgang, mit schwarzen und
weißen Fliesen in einem Schachbrettmuster ausgelegt, der zu
irgendeinem etwas tiefer zurückliegenden Geschäftseingang
führte. Es war stockdunkle Nacht hier drin, trotz der Straßenbeleuchtung, die sich inzwischen eingeschaltet hatte und
hinter mir munter summte, während sie ihr schmuddelig
gelbes Licht auf das Pflaster warf. Am anderen Ende des
Durchgangs war etwas, denn ich hörte eine Bewegung und
das Rascheln von Papier.
»Hallo?«, rief ich. »Ist jemand da? Tut mir Leid, wenn ich
störe, aber ich suche jemanden …«
Keine Antwort. Das Rascheln verstummte und setzte
dann umso heftiger wieder ein. Es gab ein klapperndes Geräusch in der Dunkelheit, und mir stellten sich die Nackenhaare auf. Ein Wagen fuhr vorbei, und seine Scheinwerfer
leuchteten flüchtig in den hinteren Teil des Eingangs. Ich
erhaschte einen kurzen Blick auf eine kleine Gestalt, die sich
auf die Hinterbeine erhoben hatte und in meine Richtung
schnüffelte. Bösartige kleine Augen glitzerten im Lichtkegel
der Scheinwerfer.
Mit einem erstickten Schreckensschrei wich ich zurück
und kollidierte mit Ganesh, der ebenfalls überrascht aufschrie und dann fragte: »Was ist
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